Galen – Das Gehirn als zentrales Organ
Der griechische Anatom Galen bezog im antiken Streit um die Frage, ob das Herz oder das Gehirn das zentrale Organ sei, eindeutig Position: das Hirn war es! Darüber hinaus bestimmte seine Ventrikeltheorie die Ansichten der folgenden Jahrhunderte.
Scientific support: Prof. Dr. Georg W. Kreutzberg
Published: 29.01.2014
Difficulty: intermediate
- Der griechische Anatom Galen kam auf seinen Reisen mit einer Vielzahl von medizinischen Theorien in Kontakt.
- Seine Arbeit als Gladiatorenarzt lieferte ihm viel Anschauungsmaterial für seine anatomischen Forschungen.
- Er beendete die antike Kontroverse, ob Herz oder Hirn der Sitz von Denken und Empfinden ist.
- Galen hielt die Hohlräume des Gehirns mit dem vermeintlichen Pneuma als Inhalt für eine Verbindungsstelle zwischen Körper und Seele. Diese (falsche) Theorie beeinflusste die Hirnforschung in den folgenden Jahrhunderten.
Lange Zeit herrschte in der Antike ein erbitterter Streit unter Forschern: Ist das Herz oder das Gehirn entscheidend für Denken und Empfinden?. Der griechische Anatom Claudius Galenus, auch Galen genannt, machte der Kontroverse einige Jahrhundert später ein Ende. Er hielt die Vorstellung des Philosophen Aristoteles, das Gehirn sei letztlich nur ein Kühlsystem für das Herz, für absurd. Wäre dem so, argumentierte Galen, würde sich das Gehirn nicht so weit entfernt vom Herzen befinden.
Wenig überzeugend fand er auch die Behauptung, Augen und Ohren seien nicht mit dem Gehirn verbunden. Schließlich kannte er bereits die sensorischen Nerven und unterschied diese ähnlich wie zuvor Herophil und Erasistratos von den motorischen. Außerdem machte Galen eine entscheidende Beobachtung: Menschen können nach einem Schlaganfall auch dann ihre Wahrnehmungsfähigkeit verlieren, wenn die betreffenden Sinnesorgane noch funktionieren. Für Galen ein schlagender Beweis, dass das Gehirn eine wichtige Rolle bei Wahrnehmungen spielt.
Galen erblickte um 129 das Licht der Welt, vermutlich in der antiken griechischen Stadt Pergamon, heute bekannt als Bergama in der Türkei. Sein Vater, ein Architekt und Mathematiker, unterwies ihn in Philosophie, Mathematik und Naturlehre und stellte so die Weichen für eine erfolgreiche Karriere seines Sohnes als Philosoph und Mediziner. Nach dem Tod des Vaters unternahm Galen ausgiebige Reisen, unter anderem ins ägyptische Alexandria, dem Zentrum der Heilkunst zu jener Zeit. Auf diese Weise kam er in Kontakt mit einer Vielzahl medizinischer Theorien. Er selbst spezialisierte sich auf anatomische Studien.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Schlaganfall
Schlaganfall/Apoplexia cerebri/stroke
Bei einem Schlaganfall werden das Gehirn oder Teile davon zeitweilig nicht mehr richtig mit Blut versorgt. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und dem Energieträger Glukose. Häufigster Auslöser des Schlafanfalls ist eine Verengung der Arterien. Zu den häufigsten Symptomen zählen plötzliche Sehstörungen, Schwindel sowie Lähmungserscheinungen. Als Langzeitfolgen können verschiedene Arten von Gefühls– und Bewegungsstörungen auftreten. In Deutschland ging 2006 jeder dritte Todesfall auf einen Schlaganfall zurück.
Verwundete Gladiatoren als Anschauungsmaterial
Zugute kam ihm dabei seine zeitweilige Arbeit als Gladiatorenarzt in Pergamon. Durch sie konnte er umfangreiche Erfahrungen sammeln. Galen selbst behauptete später, die Stelle bekommen zu haben, indem er einen Affen ausweidete und seine medizinischen Konkurrenten aufforderte, den Schaden wieder zu beheben. Als diese sich weigerten, übernahm er selbst die Aufgabe und erhielt den Zuschlag.
Krieg und Gladiatorenkämpfe, schrieb er, seien die größte Schule der Chirurgie. Sie versorgten ihn mit einem steten Strom klinischer Fälle, denn die unterschiedlichen Traumata ließen einige Rückschlüsse zu: Eine tiefe Wunde am Hinterkopf konnte zur Erblindung führen. Bei gespalteten Schädeln stieß er auf rhythmische Bewegungen des Gehirns. Und quasi per Ausschlussverfahren konnte er feststellen, dass die Hirnflüssigkeit nicht identisch mit der Lebenskraft war: er konnte sie ausfließen sehen, doch sein Patient lebte weiter. Und Galen sezierte aber auch Affen, Schafe, Schweine und Ziegen, teilweise bei lebendigem Leib. Diese Sektionen erreichten bei ihm einen neuen Höhepunkt – was die schiere Anzahl anging, aber auch das Ausmaß der Grausamkeit. So führte er bei noch lebenden Tieren Sektionen durch, bei denen er das Gehirn schichtenweise abtrug, um herauszufinden, was die jeweiligen Organe für Funktionen innehatten.
Ganz kalt ließ ihn das offensichtlich nicht. Das lässt zumindest seine Empfehlung vermuten, Sektionen am lebendigen Leib, (Vivisektionen) lieber an Schweinen und Ziegen durchzuführen als an Affen, weil „du auf diese Weise vermeiden kannst, den unerfreulichen Ausdruck des Affen zu sehen, wenn er viviseziert wird.“ Wenn allerdings erst einmal die Vivisektion begonnen habe, solle ein Anatom vorgehen wie bei einem toten Tier und ohne Mitleid in die tiefen Gewebe eindringen. Die Grausamkeiten rechtfertigte er mit einer zu seiner Zeit populären philosophischen Haltung, der zufolge Tiere keine rationale Seele, damit keine Rechte und keine Persönlichkeit hätten.
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Überschätzte Hohlräume
Bei seinen Sektionen entdeckte Galen als erster, dass zwar ein horizontaler Schnitt des Rückenmarks eine Querschnittslähmung verursachte, nicht aber vertikaler. Andere Rückschlüsse waren medizinisch weniger bedeutsam. So hatte er beobachtet, dass ein Schnitt in das Gehirn von Tieren diesen nur dann die Fähigkeit zu Bewegungen und Empfindungen nimmt, wenn er bis zu einem der Hirnventrikel vordrang. Diese mit Hirnwasser gefüllten Hohlräume des Gehirns hatten es Galen besonders angetan. Er selbst glaubte, sie enthielten etwas Luftähnliches. Drückte Galen auf den hinteren Ventrikel des entblößten Gehirns eines lebenden Tieres, dann fiel dieses in eine Starre. Wenn er das Ventrikeldach nur leicht anschnitt, blinzelte das Tier mit den Augen.
Galen ging daher davon aus, Hirnverletzungen beeinträchtigten lediglich dann die Wahrnehmung oder Bewegungsfähigkeit, wenn die Ventrikel betroffen wären. Über die Hohlräume des Hirngewebes müsse eine besondere Verbindung zum Seelischen bestehen. Ihr luftartiger Inhalt ähnle in seiner Substanzlosigkeit dem Seelischen eher als das Hirngewebe. Der Ventrikelinhalt Galens erinnert damit an das Pneuma oder den Spiritus animalis, welcher der antiken Philosophie zufolge zwischen Seele und Körper vermittelt. Auch wenn er damit die Bedeutung der Ventrikel überschätzt hat und der Pneumalehre in der Neuzeit die Luft ausging: Galens Vorstellungen galten von nun an für viele Jahrhunderte als unumstößliche Lehre und beeinflussten die Hirnforschung nachhaltig.
Rückenmark
Rückenmark/Medulla spinalis/spinal cord
Das Rückenmark ist der Teil des zentralen Nervensystems, das in der Wirbelsäule liegt. Es verfügt sowohl über die weiße Substanz der Nervenfasern, als auch über die graue Substanz der Zellkerne. Einfache Reflexe wie der Kniesehnenreflex werden bereits hier verarbeitet, da sensorische und motorische Neuronen direkt verschaltet sind. Das Rückenmark wird in Zervikal-, Thorakal-, Lumbal und Sakralmark unterteilt.
Querschnittslähmung
Querschnittslähmung/-/spinal paralysis
Hiermit bezeichnen Ärzte eine Kombination von Symptomen, die auftritt, wenn der Nervenstrang im Rückenmark durchtrennt wird. Auf welcher Höhe der Wirbelsäule die Verletzung geschieht, ist entscheidend für deren Konsequenzen: Gliedmaßen und Organe, deren Innervierung unterhalb der lädierten Stelle vom Rückenmark abzweigt, kann der Körper künftig nicht mehr selbst steuern. Mögliche Folgen reichen von einer teilweisen Lähmung der Gliedmaßen bis hin zum kompletten Kontrollverlust über Mastdarm und Blasé.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Wahrnehmung
Wahrnehmung/Perceptio/perception
Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.
Oeser, Erhard: Geschichte der Hirnforschung. Von der Antike bis zur Gegenwart, Darmstadt 2010.