Question to the brain
Sind Gliazellen die eigentlichen Chefs im Gehirn?
Published: 26.09.2021
Gliazellen hier, Gliazellen da …man könnte fast meinen, sie wären wichtiger als die Nervenzellen selbst. Wer hat denn nun das Sagen im Gehirn?“
The editor's reply is:
Professor Klaus-Armin Nave, Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, Göttingen: Neben Nervenzellen gibt es viele verschiedene Zelltypen im Gehirn, wie beispielsweise Mikrogliazellen und Oligodendrozyten, die beide für die Alzheimer Erkrankung eine große Rolle spielen oder Astrozyten, die für die Ernährung von Nervenzellen entscheidend sind. Es gibt aber auch viele nicht gliale Zellen die wichtig sind für das Zusammenwirken aller Zellen im Gehirn.
Um die Frage, wer letztlich die Kontrolle hat, beantworten zu können, muss man sich den Input und Output des Gehirns ansehen. Der Input besteht aus sensorischen Eindrücken des Auges, der Ohren, der Haut u nd so weiter , während der Output durch Bewegung bestimmt wird. Die Aufnahme von sensorischen Reizen wird von neuronalen Sinneszellen kodiert und der Output durch motorische Nervenzellen, die die Muskulatur steuern. Somit ist sowohl der Input als auch der Output des Gehirns neuronal gesteuert, während im Gehirn selbst die eingegangene Information ebenfalls von Nervenzellen verarbeitet wird.
Gliazellen nehmen einen erheblichen Einfluss auf die Funktion des Ganzen. Ohne Gliazellen würde es zu Schwierigkeiten in der Signalweiterleitung kommen. Im erwachsenen Gehirn sorgen sie außerdem für die Energieversorgung der Nervenzellen und die räumliche Verteilung von Ionen, die für die Erregbarkeit und somit die Signalweiterleitung von einer Nervenzelle zur anderen entscheidend sind. Im alternden Gehirn sorgen Gliazellen für die Entsorgung von verschiedenen Stoffen, etwa von Myelin, das entscheidend ist für eine gute Signalweiterleitung, das jedoch altersbedingt abgebaut wird. Gliazellen stellen somit auch die Müllabfuhr des Gehirns dar. Im Gehirn von Alzheimerpatienten sorgen Gliazellen auch für den Abbau von krankheitsspezifischen Ablagerungen, den Amyloid Plaques. Neueste Forschung zeigt jedoch, dass sich diese Müllabfuhr durch den Abbau von Myelin vom Abbau der Alzheimer-Plaques ablenken lässt, so dass die Plaques nicht so abgebaut werden, wie es notwendig wäre.
Der große Unterschied zwischen den beiden Zelltypen ist, dass Gliazellen im Vergleich zu Nervenzellen nicht elektrisch aktiv sind und keine Aktionspotentiale bilden oder Erregung weiterleiten. Die Aktivität von Gliazellen ist somit nicht auf die gleiche Weise messbar, wie es bei Nervenzellen möglich ist. Dadurch hängt die Gliazell- der Nervenzellforschung weit hinterher. Außerdem unterscheiden sich die zwei Zelltypen in ihrer Zeitachse: Nervenzellen arbeiten mit ihrer elektrischen Aktivität im Millisekundenbereich während Gliazellen im Minuten-, Stunden- oder Tagebereich aktiv sind.
Insgesamt muss man daher sagen, dass das neuronale Netz im Gehirn die Rechenleistung erbringt. Der neuronale Input und Output werden jedoch wesentlich von verschiedenen Gliazellen mitbestimmt, sowohl im sich entwickelnden als auch im erwachsenen und alternden Gehirn. Gliazellen sind vom Nervensystem nicht wegzudenken. Es gibt kein Nervensystem ohne Gliazellen, sie sind ein essentieller Baustein, so wie es keine Kabelnetz ohne Isolierung gibt, es ist einfach Teil der Architektur. Je mehr man über Gliazellen lernt, umso deutlicher wird ihre Bedeutung für das Gehirn.
Aufgezeichnet von Stefanie Flunkert