Question to the brain

Wieviele Nervenzellen hat das menschliche Gehirn?

Questioner: Sandra K. aus München

Published: 02.10.2022

Oft liest man, das menschliche Gehirn habe 100 Milliarden Nervenzellen, dann wieder heißt es 86 Millionen. Was stimmt? Und ist das wichtig?

The editor's reply is:

Prof. Dr. Stefan Liebau, Leiter des Instituts für Neuroanatomie und Entwicklungsneurobiologie der Universität Tübingen: Im Moment setzen wir auf die Zahl 86 Milliarden als beste Näherung. Wie auch die vorherige Schätzung von 100 Milliarden kam sie nicht durch eine komplette Zählung aller Nervenzellen im Gehirn zustande. Stattdessen wurden die Nervenzellen in kleineren Abschnitten gezählt und das dann mathematisch auf das ganze Gehirn hochgerechnet.

Das können wir uns so vorstellen: Wir nehmen einen Liter Wasser aus dem atlantischen Ozean, messen darin den Salzgehalt und schließen so darauf, wie viel Salz in allen Ozeanen ist. Mit dieser einfachen Methode lägen wir weit daneben, denn an hundert verschiedenen Stellen bekämen wir ganz unterschiedliche Salzgehalte. Das ist auch im Gehirn so: Genauere Messungen zeigen, dass in jeder Gehirnregion, sogar innerhalb des Großhirns, Nervenzellen in unterschiedlicher Dichte vorliegen. Das ist bei den neuen Schätzungen stärker berücksichtigt und es wurde an mehreren Stellen gemessen. Trotzdem bleibt es eine Annäherung.

Dazu kommt, dass es hier wirklich nur um das Gehirn geht. Dabei haben wir noch viel mehr Nervenzellen im Körper. Denken wir zum Beispiel an das enterische Nervensystem im Darm, sozusagen unser Bauchgefühl, oder an das Rückenmark.

Mit unserer Nervenzell-Anzahl sind wir im Tierreich nicht besonders einzigartig. Wobei wir hier im direkten Vergleich aufpassen müssen: Größere Gehirne haben nicht unbedingt mehr Nervenzellen, weil das Volumen der Zellen bei allen Tieren und den Menschen sehr unterschiedlich ist. Nur, weil der Elefant ein größeres Gehirn hat, heißt das nicht automatisch, dass er auch mehr Nervenzellen hat.
Gleichzeitig können wir nicht von der Anzahl der Nervenzellen oder von der Größe des Gehirns auf die Intelligenz schließen. Denn es kommt stark auf die jeweiligen Aufgaben der Zellen an. Manche Tiere haben einen sehr guten Geruchssinn oder viele Sinneszellen auf der Haut oder an den Pfoten. Das spiegelt sich im Kopf wider: Bei Mäusen scheint das halbe Gehirn aus dem Geruchssystem zu bestehen. Dort gibt es also sehr viele Nervenzellen, die aber nicht direkt etwas mit Intelligenz zu tun haben. Bei uns Menschen nimmt der Geruchssinn dafür nur einen winzigen Teil des Gehirns ein.

Letztendlich ist die reine Anzahl der Nervenzellen also nicht so wichtig, sondern vielmehr die Frage, wofür sie genutzt werden. Ich kann mir vorstellen, dass bei solchen Schätzungen auch ein „human bias“ im Spiel ist – eine kognitive Verzerrung, damit die Menschen auf jeden Fall etwas besonderes sind und zum Beispiel die Nervenzellen im menschlichen Gehirn die Zahl der Sterne im Weltall übersteigt. Auch wenn man natürlich dazu ebenfalls keine genauen Zahlen kennt.

Protokolliert von Stefanie Uhrig

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Rückenmark

Rückenmark/Medulla spinalis/spinal cord

Das Rückenmark ist der Teil des zentralen Nervensystems, das in der Wirbelsäule liegt. Es verfügt sowohl über die weiße Substanz der Nervenfasern, als auch über die graue Substanz der Zellkerne. Einfache Reflexe wie der Kniesehnenreflex werden bereits hier verarbeitet, da sensorische und motorische Neuronen direkt verschaltet sind. Das Rückenmark wird in Zervikal-​, Thorakal-​, Lumbal und Sakralmark unterteilt.

Intelligenz

Intelligenz/-/intelligence

Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Dem britischen Psychologen Charles Spearman zufolge sind kognitive Leistungen, die Menschen auf unterschiedlichen Gebieten erbringen, mit einem Generalfaktor (g-​Faktor) der Intelligenz korreliert. Demnach lasse sich die Intelligenz durch einen einzigen Wert ausdrücken. Hierzu hat u.a. der US-​Amerikaner Howard Gardner ein Gegenkonzept entwickelt, die „Theorie der multiplen Intelligenzen“. Dieser Theorie zufolge entfaltet sich die Intelligenz unabhängig voneinander auf folgenden acht Gebieten: sprachlich-​linguistisch, logisch-​mathematisch, musikalisch-​rhythmisch, bildlich-​räumlich, körperlich-​kinästhetisch, naturalistisch, intrapersonal und interpersonal.

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