Question to the brain

Ist Geben wirklich seliger denn Nehmen?

Questioner: Anne H. aus Leonberg

Published: 27.11.2022

Geben ist seliger denn Nehmen. Kann die Neuropsychologie diese Redensart bestätigen? Was passiert beim Geben im Gehirn und was, wenn wir etwas geschenkt bekommen?

The editor's reply is:

Antwort von Philippe Tobler, außerordentlicher Professor für Neuroökonomie und Soziale Neurowissenschaften an der Universität Zürich: Schauen wir zunächst einmal darauf, was passiert, wenn wir etwas geben. Tatsächlich kann man mit Hilfe bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen, dass Geben glücklich macht. Und nicht nur das: Allein, sich dazu zu verpflichten, in Zukunft etwas zu geben, hat denselben Effekt. Nicht von ungefähr sind also Superreiche wie Bill Gates oder Warren Buffet so zufrieden mit ihrer Entscheidung, kontinuierlich einen Teil ihres Vermögens abzugeben.

Im Rahmen einer 2017 veröffentlichten Studie habe ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen den Zusammenhang zwischen Glück und Großzügigkeit untersucht. Zunächst erfragten wir von allen Studienteilnehmern, wie glücklich sie gerade sind. Dazu nutzen wir eine Glücks-Skala, auf der sie ihren Gemütszustand subjektiv bewerteten.

Danach bildeten wir unter unseren Probanden zwei Gruppen: Eine sollte in den nächsten vier Wochen jede Woche Geld für sich selbst ausgeben, die andere Gruppe verpflichtete sich dagegen, Geld für andere Menschen ihrer Wahl auszugeben. Wir schlugen beispielsweise vor, andere zum Essen einzuladen beziehungsweise selbst essen zu gehen. Oder für andere beziehungsweise für sich selbst ein Geschenk zu kaufen. Dafür sagten wir den Teilnehmern jede Woche 25 Franken von uns zu. Beide Gruppen mussten ihre Verpflichtung schriftlich unterzeichnen.

Anschließend stellten wir die Personen in einem MRT-Scanner vor eine Entscheidungsaufgabe. Hier konnten Sie wählen, wie viel Geld sie opfern wollten, damit andere Geld bekommen. Das Ergebnis: Die Probanden, die sich verpflichtet hatten, in der nahen Zukunft für andere Geld auszugeben, trafen in der Aufgabe großzügigere Entscheidungen als diejenigen, deren Aufgabe es war, das Geld für sich selbst auszugeben.

Während des Experiments haben wir auch die Gehirnaktivität in beiden Gruppen gemessen. Bei den Personen, die Geld für andere ausgeben sollten, war die „Großzügigkeitsregion“ besonders aktiv, also die Verbindung zwischen Temporal- und Parietallappen, die sich hinten oben an der Seite des Gehirns befindet. Sie ist auch zuständig für die Perspektivübernahme, also die Fähigkeit, sich in jemand anderen hineinzuversetzen. Die Perspektivenübernahme hilft zum Beispiel, sich die Freude des Beschenkten vorzustellen. Außerdem konnten wir Aktivität in der Mitte des Gehirns, im Striatum, feststellen. Dieser Bereich wird aktiv, wann immer wir eine Belohnung erhalten – vor allem dann, wenn sie unvorhergesehen ist. Aktivität in diesem Bereich korreliert mit der Zunahme des subjektiven Glücksgefühls von Menschen, auch bei unseren Probanden. Zudem fanden wie eine erhöhte Kommunikation zwischen der Großzügigkeitsregion und dem für Glück und Belohnung zuständigen Bereich im Gehirn. Es gibt also eine Verbindung zwischen Glück und Großzügigkeit, oder anders ausgedrückt: zwischen Glück und Geben.

Doch kann die Studie auch bestätigen, dass Geben noch glücklicher macht als Nehmen? Tatsächlich waren die Probanden, die Geld für andere ausgeben sollten, glücklicher als die Probanden, die Geld für sich selber ausgeben sollten. Das zeigte eine erneute Selbsteinschätzung von beiden Gruppen direkt nach dem Experiment.

Neuroökonomie

Neuroökonomie/-/neuroeconomics

Bezeichnung für ein Forschungsfeld an der Schnittstelle zwischen Neurowissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Psychoogie. Übergeordnetes Ziel der Neuroökonomie ist zu verstehen, wie Menschen ökonomische Entscheidungen treffen. Dazu untersuchen Neuroökonomen, was in der Entscheidungsfindung im Gehirn passiert. Zu diesem Zweck greifen sie häufig auf Versuchsanordnungen aus der Spieltheorie zurück, bei denen es meist um den Gewinn oder Verlust von Geld geht. Die Gehirne ihrer Probanden untersuchen sie vor allem mit bildgebenden Vefahren. Die Neuroökonomie ist ein sehr junger Forschungszweig, der auf großes gesellschaftliches Interesse stößt.

Magnetresonanztomographie

Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging

Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.

Magnetresonanztomographie

Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging

Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.

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