Question to the brain
Warum ist es beruhigend Tiere zu streicheln?
Published: 08.12.2024
Ein Tier zu streicheln empfinden viele als beruhigend. Gibt es dafür eine neurobiologische Erklärung?
The editor's reply is:
Dr. Rahel Marti, Institut für Interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung, Allschwil, Schweiz: Es gibt viele verschiedene Erklärungsversuche für diese Frage. Ganz prominent ist die Erklärung, dass das Kortisol im Körper abnimmt, wenn wir Tiere streicheln. Kortisol wird auch als Stresshormon bezeichnet und wird beispielsweise in angstauslösenden Situationen ausgeschüttet. Forschende haben nachgewiesen, dass durch den Kontakt mit Tieren die Kortisolkonzentration im Blut sinkt und der Mensch sich dadurch entspannt.
Zusätzlich ist die Parasympathikus-Hypothese sehr bekannt: Demnach wird der Parasympathikus, also das vegetative Nervensystem, durch Tierberührungen aktiviert, wodurch sich etwa der Herzschlag verringert. Der Körper geht dabei vom Aktivitätsmodus in den Entspannungsmodus über.
Auch bekannt ist, dass durch Tierberührungen das Kuschelhormon Oxytocin ausschüttet wird. Dieses Hormon ist wichtig für den Aufbau von Vertrauen und sozialen Bindungen, zum Beispiel zwischen Müttern und ihren Kindern. In Studien konnte man zeigen, dass sich die Oxytocinkonzentration im Speichel auch durch das Streicheln von Tieren erhöht.
Spielen Kinder im Sand, wirkt das ebenfalls beruhigend auf sie. Ähnlich ist es mit dem Streicheln. Wenn man sich taktil beschäftigt, kann das auch das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Wahrscheinlich funktioniert das auch über die neurologischen Aspekte des Kortisols, Parasympathikus und des Oxytocins.
Wir selbst sind etwas anders an das Thema herangegangen, indem wir bei Probanden die Hirnaktivität im Frontallappen während der Interaktion mit einem Hund oder Stofftier gemessen haben. Im Frontallappen laufen viele exekutive, planerische und problemlösende Prozesse ab. Er ist jedoch auch eine Schaltstelle für gewisse emotionale Prozesse und ist sehr gut vernetzt mit anderen Hirnarealen.
Da es kaum möglich ist, einen in einem MRT-Scanner liegenden Menschen ein Tier streicheln zu lassen und gleichzeitig die Hirnaktivität zu messen, haben wir für die Messung die Nahinfrarotspektroskopie verwendet. Dabei wird der Sauerstoffgehalt des Blutes nicht-invasiv über eine Kopfhaube mit Elektroden gemessen. Diese Haube erlaubte den Teilnehmern eine normale Bewegung und Interaktion mit dem Tier oder Stofftier. Zusätzlich macht das Gerät keinen Lärm, so dass die Hunde nicht gestresst waren. Da eine erhöhte Gehirnaktivität mit einem erhöhten Sauerstoffbedarf einhergeht, lässt sich messen, ob sich die Aktivität des Gehirns durch äußere Einflüsse, wie das Streicheln eines Tieres, verändert.
In unserer Studie kamen alle Fewilligen sechs Mal zu uns ins Labor. Davon hatten sie drei Mal Kontakt mit einem Hund und drei Mal mit einem Stofftier. In jeder Sitzung haben sie zuerst eine weiße Wand angesehen, danach das Tier oder Stofftier. Anschließend kam das Tier oder Stofftier etwas näher und sie konnten es auch am Oberschenkel spüren. Schließlich durften die elnehmenden das Tier oder Stofftier streicheln. Zum Abschluss kam noch einmal eine neutrale Phase, in der sie die weiße Wand angesehen haben. Jede dieser Phasen dauerte 2 Minuten.
Es zeigte sich, dass die Hirnaktivität der Teilnehmer beim echten Tier höher war als beim Stofftier. Je näher das Tier oder auch Stofftier am Teilnehmer war, umso höher war die Aktivierung des gemessenen Hirnareals. Die Unterschiede zwischen einem Hund und einem Stofftier haben wir uns dadurch erklärt, dass der Hund das komplexere Objekt ist. Außerdem ist ein Hund ein viel emotionalerer Stimulus als ein Stofftier, wodurch die Teilnehmer ein höheres Interesse am Hund haben. Zusätzlich zeigte unsere Studie, dass die Hirnaktivität über den Verlauf der drei Sitzungen mit dem Hund zu, aber mit dem Stofftier abnahm. Meistens wurde jedem Teilnehmer in allen drei Sitzungen der gleiche Hund präsentiert, teilweise aber auch ein anderer. Das Ergebnis kann man vielleicht mit einem höheren Interesse am Hund erklären. Es könnte auch mit einer minimalen neuronalen Abbildung einer Beziehung zum Hund zusammenhängen, schließlich kann man mit einem Hund interagieren, was mit einem Stofftier nicht möglich ist. Es wird jedoch weitere Studien brauchen um die Resultate zu bestätigen und besser zu verstehen, weshalb es zu dieser Hirnaktivierung kommt.
Aufgezeichnet von Stefanie Flunkert
Oxytocin
Oxytozin/-/oxytocin
Ein im Nucleus paraventricularis und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus gebildetes Hormon, welches aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut ausgeschüttet wird. Es leitet bei der Geburt die Wehen ein und wird beim Stillen sowie beim Orgasmus ausgeschüttet. Es scheint die Paarbindung zu erhöhen und Vertrauen zu schaffen. Neuere Erkenntnisse weißen darauf hin, dass das oft als Kuschelhormon bezeichnete Oxytocin jedoch weitaus komplexer ist und seine Effekte auch eine Abgrenzung zur andern Gruppen (out-groups) beinhalten.
Hormon
Hormon/-/hormone
Hormone sind chemische Botenstoffe im Körper. Sie dienen der meist langsamen Übermittlung von Informationen, in der Regel zwischen dem Gehirn und dem Körper, z.B. der Regulation des Blutzuckerspiegels. Viele Hormone werden in Drüsenzellen gebildet und in das Blut abgegeben. Am Zielort, z.B einem Organ, docken sie an Bindestellen an und lösen Prozesse im Inneren der Zelle aus. Hormone haben eine breitere Wirkung als Neurotransmitter, sie können verschiedene Funktionen in vielen Zellen des Körpers beeinflussen.
Oxytocin
Oxytozin/-/oxytocin
Ein im Nucleus paraventricularis und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus gebildetes Hormon, welches aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut ausgeschüttet wird. Es leitet bei der Geburt die Wehen ein und wird beim Stillen sowie beim Orgasmus ausgeschüttet. Es scheint die Paarbindung zu erhöhen und Vertrauen zu schaffen. Neuere Erkenntnisse weißen darauf hin, dass das oft als Kuschelhormon bezeichnete Oxytocin jedoch weitaus komplexer ist und seine Effekte auch eine Abgrenzung zur andern Gruppen (out-groups) beinhalten.
Frontallappen
Frontallappen/Lobus frontalis/frontal lobe
Der frontale Cortex ist der größte der vier Lappen der Großhirnrinde und entsprechend umfassend sind seine Funktionen. Der vordere Bereich, der so genannte präfrontale Cortex, ist für komplexe Handlungsplanung (so genannte Exekutivfunktionen) verantwortlich, die auch unsere Persönlichkeit prägt. Seine Entwicklung (Myelinisierung) braucht bis zu 30 Jahren und ist selbst dann noch nicht ganz abgeschlossen. Weitere wichtige Bestandteile des frontalen Cortex sind das Broca-Areal, welches unser sprachliches Ausdrucksvermögen steuert, sowie der primäre Motorcortex, der Bewegungsimpulse in den gesamten Körper aussendet.