Question to the brain
Inwieweit ist Intelligenz erblich?
Published: 07.12.2012
Einmal dumm, immer dumm? Seit Sarrazin wird in der Öffentlichkeit wieder heftig diskutiert, inwieweit Intelligenz angeboren ist. Doch wie stark prägen die lieben Gene tatsächlich unsere Intelligenz?
The editor's reply is:
Aljoscha C. Neubauer, Professor für Differentielle Psychologie, Universität Graz:
„Die Antwort auf diese Frage wird immer leicht missverstanden. Sagt man etwa 50 Prozent der Intelligenz seien erblich und 50 Prozent Ergebnis der Umwelt, denken viele Menschen: ‚Wenn jemand einen IQ von 110 hat, dann stammen 55 IQ-Punkte von den Genen und 55 von der Umwelt.‚ Doch das natürlich Unsinn. So kann man nicht rechnen.
Um zu verstehen, was solche Zahlen bedeuten, muss man sich anschauen, wie sie zustande kommen. Forscher untersuchen beispielsweise in Zwillingsstudien, um wie viel stärker die Intelligenz eineiiger Zwillinge zusammenhängt, die hundert Prozent der Gene teilen, als die von zweieiigen Zwillingen, die nur 50 Prozent der Gene teilen. Auf diese Weise versuchen sie herauszufinden, wie viel der gesamten Intelligenzunterschiede in den untersuchten Gruppen durch Gene und wie viel durch die Umwelt bedingt sind. Wenn sich die eineiigen Zwillinge bei jeweils identischer Familienumwelt von der Intelligenz her ähnlicher sind als die zweieiigen, so liegt das an ihrer größeren genetischen Übereinstimmung. Jede Zahl, die man aus diesen Untersuchungen gewinnt, ist allerdings im Grunde eine Zahl, die nur für eine bestimmte Population zu einem bestimmten Zeitpunkt gilt.
Wie stark bestimmend die Gene wirken, hängt ganz von der Umwelt in der jeweiligen Kultur ab. Je homogener sie ausfällt — das ist ein Effekt, der auf den ersten Blick paradox erscheint -, desto stärker ist der Einfluss der Gene. In einem Land etwa, in dem alle Menschen die gleichen Chance haben, ihr Intelligenzpotenzial auch umzusetzen, lassen sich Intelligenzunterschiede vollständig durch die Gene erklären. In einem Land hingegen, das den Menschen sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Bildung bietet, werden die Gene kaum einen Einfluss haben.
Nach diesen ganzen Vorbemerkungen kann man sagen: Im Durchschnitt sind in Mitteleuropa und in Nordamerika, wo das Bildungssystems bedingt ungleiche Chancen bietet, die Intelligenzunterschiede bei Kindern und Adoleszenten zu rund 50 Prozent auf Gene zurückzuführen.
Die Gene sind gewissermaßen das Grundkapital, das man mitbekommt. Setzt man es nicht ein, erwirbt man kein Wissen, ist es völlig nutzlos. Je besser man das genetische Startkapital einsetzt, desto mehr kann man aus ihm machen. Das heißt aber auch: die Chancen sind von vorneherein nicht gleich verteilt. Nehme ich zwei Menschen her, die gleich motiviert sind, sich gleich stark einsetzen, wird man dennoch Unterschiede finden. Der Effekt des Startkapitals wird in unseren Gesellschaften noch dadurch verstärkt, dass Menschen mit höherem Startkapital im Allgemeinen auch in förderliche Umwelten, wie gebildetere Elternhäuser, hineingeboren werden. Die Folge: Im Erwachsenenalter ist der genetische Einfluss auf Grund dieses Zusammenhangs noch größer. Das ist das Mathäusprinzip: wer hat, dem wird gegeben. Bei älteren Menschen findet man daher in unseren Gesellschaften sogar einen genetischen Einfluss von 70 Prozent.
Auch ist der Einfluss der Gene in verschiedenen Schichten unterschiedlich: In den USA in den höheren Schichten ist der genetische Einfluss größer, hier können die Gene offensichtlich ihre Wirkung besser entfalten. In den niedrigeren Schichten hingegen wirken die unterschiedlichen Umweltchancen viel entscheidender.
Als eine Art Fazit kann man sagen: die genetischen Anlagen wirken nicht gegen die Umwelt, sondern über die Umwelt.“
Aufgezeichnet von Christian Wolf
Intelligenz
Intelligenz/-/intelligence
Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Dem britischen Psychologen Charles Spearman zufolge sind kognitive Leistungen, die Menschen auf unterschiedlichen Gebieten erbringen, mit einem Generalfaktor (g-Faktor) der Intelligenz korreliert. Demnach lasse sich die Intelligenz durch einen einzigen Wert ausdrücken. Hierzu hat u.a. der US-Amerikaner Howard Gardner ein Gegenkonzept entwickelt, die „Theorie der multiplen Intelligenzen“. Dieser Theorie zufolge entfaltet sich die Intelligenz unabhängig voneinander auf folgenden acht Gebieten: sprachlich-linguistisch, logisch-mathematisch, musikalisch-rhythmisch, bildlich-räumlich, körperlich-kinästhetisch, naturalistisch, intrapersonal und interpersonal.
Intelligenzquotient
Intelligenzquotient (IQ)/-/intelligence quotient
Kenngröße, die das intellektuelle Leistungsvermögen eines Menschen ausdrücken soll. Entsprechende Tests zur Ermittlung der Intelligenz gehen mit dem Konzept einher, dass ein allgemeiner Generalfaktor der Intelligenz existiert, der in der Bevölkerung normal verteilt ist. Die ersten IQ-Tests wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Alfred Binet entwickelt, der damit das relative Intelligenzalter von Schulkindern bestimmen wollte. Seiner Definition zufolge bezeichnet der IQ den Quotienten aus Intelligenzalter und Lebensalter multipliziert mit 100. Dies ist demnach auch der durchschnittliche IQ eines Menschen. 95 Prozent der Bevölkerung liegen mit ihren IQ-Werten zwischen 70 und 130. Erreicht jemand einen Wert unter 70, spricht man von Intelligenzminderung, während ein Ergebnis jenseits der 130 als Hochbegabung gilt.
Gen
Gen/-/gene
Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.
Gen
Gen/-/gene
Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.