Question to the brain
Warum kommen mir die wichtigsten Einfälle beim Duschen?
Published: 26.04.2013
Es ist doch verhext: Warum fallen mir ausgerechnet beim Duschen und beim Einschlafen so viele Dinge ein, die ich am nächsten Tag nicht vergessen darf?
The editor's reply is:
PhD Jonathan Smallwood, Max-Planck-Institut für Kognitions– und Neurowissenschaften, Leipzig:
Ich selbst gehe etwa fünfmal pro Woche laufen, am liebsten tue ich das am Morgen. Dabei kann ich besser nachdenken als im Büro vor dem Computer: Wie werte ich die Daten eines Experiments aus und was muss ich noch für das anstehende Meeting vorbereiten? Die Frage ist also: Was passiert im Gehirn, wenn wir solche Routine-Aufgaben tun, und warum sind diese leichten Aufgaben so hilfreich? Der Grund sind wohl so genannte self-generated thoughts: Gedanken, die ihre eigenen Wege gehen.
Wir gehen davon aus, dass das Gehirn zwei Modi hat: Zum einen ist das Gehirn im Hier und Jetzt; es verarbeitet die eingehenden Informationen, also was wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. Zum anderen ist das Gehirn im Gedächtniszustand; es erinnert sich an etwas. Wenn man nun joggen geht oder sich duscht, dann ist diese Tätigkeit so einfach, dass es nicht wichtig ist, was man gerade sieht oder hört. Die Informationen, die man wahrnimmt, beschäftigen das Gehirn kaum. Deswegen kann das Gehirn sich dann mit anderen Dingen beschäftigen: gerne mit dem, was als nächstes passieren wird. Das ist ein Zustand, in dem wir etwas für die Zukunft vorbereiten – zum Beispiel die To-Do-Liste für den nächsten Tag. Die Gedanken schweifen also ab. Studien haben ergeben: Wenn wir wach sind, dreht sich etwa die Hälfte unserer Gedanken um etwas anderes als um das, was gerade hier und jetzt passiert. Was genau dabei im Kopf passiert, untersuche ich seit einigen Jahren.
Bei einer Studie haben wir untersucht, wie das Kurzzeitgedächtnis involviert ist. Dazu sollten die Versuchsteilnehmer zunächst im Takt ihres Atems klopfen. Das ist eine einfache Aufgabe, die nicht ihre gesamte Aufmerksamkeit braucht. Zwischendurch wurden sie gefragt, ob sie gerade an die Aufgabe dachten oder an etwas anderes. Anschließend bestimmten wir noch die Größe des Arbeitsgedächtnis: Dazu sollten die Versuchsteilnehmer Mathe-Aufgaben lösen und sich anschließend an Buchstaben erinnern, die zwischen den Mathe-Aufgaben eingeblendet wurden.
Es stellte sich heraus: Jene, deren Arbeitsgedächtnis eine größere Kapazität hatte, ließen ihren Gedanken häufig freien Lauf – und erfüllten trotzdem einwandfrei die Aufgabe, im Rhythmus ihrer Atmung zu klopfen.
Das bedeutet: Das Arbeitsgedächtnis funktioniert also auch bei den abschweifenden Gedanken wie der Puffer-Speicher eines Computers. In solch einem Cache werden ja Informationen zwischengespeichert. Beim Duschen, Joggen oder Einschlafen ist dieser Pufferspeicher in unserem Kopf nicht ausgeschöpft. Also kann das Gehirn sich parallel noch mit etwas anderem beschäftigen – so wie ein Computer zeitgleich verschiedene Programme ausführen kann. Das funktioniert so lange, wie der Computer-Cache beziehungsweise das Arbeitsgedächtnis im Kopf nicht ausgelastet oder gar überlastet ist. Im Gehirn wäre das bei einer schweren Aufgabe der Fall, zum Beispiel wenn man in einer fremden Stadt Auto fährt. Dabei ist der Arbeitsspeicher so sehr ausgelastet, dass die ganze Aufmerksamkeit auf diese Aufgabe gerichtet ist und man nicht daran denkt, was man am nächsten Tag noch erledigen soll.
Aufgezeichnet von Franziska Badenschier
Zum Weiterlesen:
Levinson DB, Smallwood J, Davidson RJ: The persistence of thought: evidence for a role of working memory in the maintenance of task-unrelated thinking. Psychological Science, 23(4):375 – 80, Online-Vorabveröffentlichung, 2012 (zum Abstract)
Kurzzeitgedächtnis
Kurzzeitgedächtnis/-/short-term memory
Als Kurzzeitgedächtnis wird eine Art Zwischenspeicher des Gehirns bezeichnet, in dem Informationen mehrere Minuten lang behalten werden können. Der Umfang ist mit 7±2 Informationseinheiten (Chunks) sehr begrenzt. Dies können beispielsweise Zahlen, Buchstaben oder Wörter sein.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.
Arbeitsgedächtnis
Arbeitsgedächtnis/-/working memory
Eine Form des Kurzzeitgedächtnisses. Es beinhaltet gerade aufgenommene Informationen und die Gedanken darüber, also Gedächtnisinhalte aus dem Langzeitgedächtnis, die mit den neuen Informationen in Verbindung gebracht werden. Das Konzept beinhaltet nach Alan Baddeley eine zentrale Exekutive, eine phonologische Schleife und ein visuell-räumliches Notizbuch.