Question to the brain

Gibt es Seelenverwandtschaft?

Questioner: Katharina P. aus Berlin via Facebook

Published: 09.10.2013

Mich würde mal interessieren, ob es so etwas wie Seelenverwandtschaft wirklich gibt. Gibt es dazu Untersuchungen?

The editor's reply is:

Hans-​Werner Bierhoff, Professor für Sozialpsychologie an der Ruhr-​Universität Bochum:

Seelenverwandtschaft ist ein Ausdruck tiefer Verbundenheit, der zum Beispiel in einer Partnerschaft durch gemeinsame Werte und Erfahrungen entsteht. Das generiert das Gefühl, die eigene Weltsicht mit dem Partner zu teilen und in entscheidenden Dingen gleich oder zumindest ähnlich zu empfinden. Ein solcher Eindruck kann aber auch bei kurzen, eher zufälligen Begegnungen mit Fremden entstehen – wenn man dem Gegenüber derartige gemeinsame Erfahrungen und Emotionen unterstellt.

Denn genau das ist der Knackpunkt: Die Seelenverwandtschaft ist im Grunde genommen eine Illusion. Oder besser gesagt, es handelt sich um ein subjektives Empfinden, das – zumindest im Fall von realen Partnerschaften und Freundschaften – auf objektiven Gemeinsamkeiten basiert und diese in der eigenen Wahrnehmung verstärkt. Das festigt dann das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Wir haben diesen Effekt vor ein paar Jahren mit unserer Arbeitsgruppe untersucht. Dazu ließen wir Paare, die seit längerer Zeit in einer Beziehung lebten, Fragebögen über ihre Vorstellungen von der Partnerschaft und ihre Bindungsbereitschaft ausfüllen. Anhand dieser Einschätzungen ermittelten wir die tatsächliche Ähnlichkeit der Partner. Außerdem sollten die Studienteilnehmer die Vorstellungen des Partners einschätzen. Auf diese Weise konnten wir die subjektiv wahrgenommene und die tatsächliche Ähnlichkeit bestimmen und miteinander vergleichen.

Die Auswertung rückte die Unterschiede zwischen der tatsächlichen Ähnlichkeit der Partner und der wahrgenommenen Ähnlichkeit in den Mittelpunkt: Die wahrgenommene Ähnlichkeit mit dem Partner war durchweg höher als es der objektiven Realität entsprach. In manchen Punkten vermuteten die Probanden sogar Übereinstimmungen, die ihre bessere Hälfte so ganz und gar nicht bestätigte. Empfinden sie sich selbst als freundschaftlich verbunden, aber weniger romantisch verliebt, tendieren sie dazu, auch den Partner als freundschaftlich und weniger romantisch verliebt zu sehen. Genauso wurde die Übereinstimmung in der Bindungsabsicht in der subjektiven Sichtweise – verglichen mit der objektiven Ähnlichkeit – übertrieben.

Das heißt, es existieren zwar ganz reale Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen den Partnern, aber eben nicht in dem Maße wie angenommen. Wir neigen nämlich dazu, unserem Partner die eigenen Erfahrungen und Gefühle zu unterstellen. Man tut quasi so, also ob der Andere so tickt wie man selbst, obwohl das gar nicht der Realität entspricht oder zumindest der Grad der Gemeinsamkeit übertrieben ist. Sowohl die geliebte Person als auch die Beziehung werden dadurch idealisiert.

Das Interessante: Die eingebildete Seelenverwandtschaft hilft dabei, sich gut zu fühlen. Denn man fühlt sich dadurch verstanden und bestätigt. Und auch die Beziehung selbst erscheint in einem positiveren Licht und harmonischer als sie vielleicht in Wirklichkeit ist. Demnach handelt es sich bei der Seelenverwandtschaft zwar um eine Illusion, aber sie macht zumindest glücklich und zufrieden.

Aufgezeichnet von Stefanie Reinberger

zum Weiterlesen:
Hans-​Werner Bierhoff und Elke Rohmann: Was die Liebe stark macht. Reinbek, 2005

Emotionen

Emotionen/-/emotions

Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

Wahrnehmung

Wahrnehmung/Perceptio/perception

Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.

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