Frage an das Gehirn

Lässt sich Kreativität messen?

Fragesteller/in: Doris Reich, Münster via Mail

Veröffentlicht: 12.04.2014

Kann ich über Tests erkennen, ob jemand schöpferisch begabt ist? Ich habe diese Frage einmal in einem Internetforum gestellt und die Diskussion ging wirklich hoch her.

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von: Ernst Hany, Professor für Pädagogisch-​psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie an der Universität Erfurt

Um Kreativität messen zu können, muss man zunächst festlegen, was man darunter versteht. Das ist nicht leicht, denn jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung davon. Der eine erkennt die Kreativität eher bei einem gefeierten Maler, der nächste bei einem theoretischen Physiker, der dritte bei einem Autoingenieur. Dennoch hat sich inzwischen in der Wissenschaft eine Definition durchgesetzt: Kreativ ist ein Mensch, der in der Lage ist, Dinge oder Ideen zu produzieren, die neu, ungewöhnlich — und nützlich sind. Nicht alles, was neu und originell ist, ist automatisch kreativ. Es muss in irgendeiner Form die Gesellschaft voranbringen. Das gelingt auch mit einem guten Gemälde — denn es verändert die Kunstwelt.

Aber hier sind wir auch beim Kern des Problems. Ein Beispiel: Zu Lebzeiten fanden die Kompositionen von Johann Sebastian Bach kaum Anerkennung. Kreativität liegt also immer im Auge des Betrachters, sie ist abhängig von der sozialen, kulturellen und politischen Bewertung durch die Gesellschaft. Auch wenn das schwer zu fassende Kriterien sind, kann man damit tatsächlich Kreativität messen: Volkswirtschaftlich betrachtet etwa, indem man die Anzahl der Patente eines Landes ermittelt. Oder in der Rückschau, indem man etwa die Länge der Lexikonartikel von geschichtlichen Persönlichkeiten vergleicht.

Aber darauf bezieht sich sicher die Leserfrage nicht, vielmehr interessiert, ob die Kreativität eines individuellen Menschen gemessen werden kann. Gibt es also — vergleichbar mit den Intelligenztests — Kreativitätstests? Ja, Tests mit diesem Namen gibt es. Sie ermitteln, wie ausgeprägt das sogenannte divergente Denken ist. Damit bezeichnen wir die Fähigkeit, gewohnte Denkstrukturen verlassen zu können. Eine Testfrage ist etwa: Beschreiben Sie die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten einer Zeitung. Bei der Auswertung ist zunächst wichtig, dass möglichst viele Vorschläge gemacht werden. Dann wird gewichtet, wie flexibel die Antworten sind.

Wer etwa sagt: Man kann die Zeitung lesen, Artikel ausschneiden und einen Erpresserbrief daraus basteln, der bezieht sich nur auf die Nutzung der Buchstaben. Wer auch antwortet: Man kann damit verschütteten Kaffee aufwischen, der fügt eine weitere Kategorie hinzu, ist also flexibler. Zudem wird die Originalität gewertet: Wer eine Nutzungsmöglichkeit findet, die keinem anderen Testteilnehmer eingefallen ist, der schneidet hier besonders gut ab.

Doch man sollte hier meiner Meinung nach nicht von Kreativitätstests, sondern von Originalitätstests sprechen. Denn wir wissen inzwischen, dass die Ergebnisse dieser Tests nicht zuverlässig voraussagen können, ob ein Mensch tatsächlich kreative Leistungen erbringen wird. Dafür sind nämlich nicht nur bestimmte Denkkapazitäten wichtig, auch die Persönlichkeit spielt eine große Rolle. Um kreativ zu sein, muss ein Mensch eine ausgeprägte Lust am Neuen haben, er muss unbekümmert und selbstbewusst sein.

Das alles sind aber nur die Voraussetzungen für Kreativität. Wer etwas Neues erschaffen möchte, der muss auch etwas dafür tun. Er sollte wirksame Denkstrategien erlernen, zum Beispiel die Fähigkeit, Dinge neu zu kombinieren. Zudem braucht er auf seinem Gebiet ein möglichst umfassendes Wissen. Auch muss die Umwelt förderlich sein: Wer etwa in einem Team arbeitet, das Innovationen belohnt, der ist eher zu neuen Ideen bereit.

Es müssen also ziemlich viele Dinge zusammenkommen, damit ein Mensch kreativ sein kann. Das alles zusammen ist zu komplex, um es in seiner Gesamtheit wissenschaftlich vorhersagen zu können. Die Kreativität eines individuellen Menschen lässt sich also nicht messen.

Antwort aufgezeichnet von Ragnar Vogt

Kern

Kern/-/nucleus

Der Kern ist in einer Zelle der Zellkern, der unter anderem die Chromosomen enthält. Im Nervensystem ist der Kern eine Ansammlung von Zellkörpern – im zentralen Nervensystem als graue Masse, ansonsten als Ganglien bezeichnet.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

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