Question to the brain
Warum sehen wir unter Alkoholeinfluss doppelt?
Published: 26.05.2014
Man feiert ausgelassen mit Freunden und schaut dabei ein klein wenig zu tief ins Glas. Plötzlich sieht man den Gesprächspartner gleich zweifach. Wie kommt es zu diesem Doppeltsehen?
The editor's reply is:
Antwort von Dr. Wolfgang Sommer, Psychopharmakologe am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim:
Wenn wir Alkohol trinken, dann reagiert darauf unser gesamtes Nervensystem, besonders das Gehirn. Im Gegensatz zu den meisten anderen Drogen gibt es für Alkohol keinen spezifischen Signalempfänger, der für die Rauschwirkung verantwortlich ist. Alkohol lagert sich an viele verschiedene Eiweiße an und verändert so minimal ihre räumliche Struktur. Manche Prozesse im Gehirn laufen dann einfacher ab, andere schwerer. Man kann sich die molekulare Maschinerie in den Nervenzellen wie ein Uhrwerk vorstellt, mit Zahnrädern und Federn, die sehr genau abgestimmt ineinandergreifen, damit das Gehirn seine Leistungen erbringen kann. Alkohol wirkt wie ein Schmiermittel, das bestimmte mechanische Prozesse einfacher ablaufen lässt, etwa die Öffnung von Membrankanälen. Dadurch gerät das präzise abgestimmte molekulare Uhrwerk durcheinander, das Gehirn funktioniert nicht mehr richtig unter Alkoholeinfluss.
Damit wir denken können, müssen die Nervenzellen miteinander kommunizieren. Das machen sie an den Kontaktstellen zwischen ihnen mit Botenstoffen. Es gibt viele verschiedene Botenstoffe, etwa Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Glutamat, Dopamin und Serotonin. Und all diese Botenstoffsysteme im Gehirn werden durch Alkoholeinfluss verändert. Bei Genuss von wenig Alkohol, etwa einem Glas Sekt, werden in erster Linie Dopamin und Opiate im Gehirn freigesetzt. Die Wirkung: Wir sind euphorisch und gut gelaunt.
Wenn dem ersten Glas Sekt viele weitere folgen, dann kommt eine andere wichtige Alkoholfolge zum Tragen: Das GABA-System wird verstärkt. GABA ist im Gehirn dafür zuständig, die Aktivität der Neurone herunterzuregeln, es ist ein sogenannter hemmender Botenstoff. Das erklärt die einschläfernde Wirkung von Alkohol.
Und warum sehen wir nun doppelt im Alkoholrausch? All die genannten Effekte zeigen ihre Wirkung im gesamten Gehirn, schließlich sind alle Botenstoffsysteme beeinträchtigt. Allerdings wissen wir, dass bestimmte Teile des Hirns besonders empfindlich auf Alkohol reagieren. Dazu gehört auch das Kleinhirn, das unter anderem eine spezielle Gruppe von Neuronen mit sehr hoher Alkoholsensibilität enthält. Eine wesentliche Funktion dieses Areals: Es ist verantwortlich für die Feinjustierung unserer Bewegungen. Was passiert, wenn es gestört ist, sieht man etwa deutlich an den ungelenken Bewegungen eines Betrunkenen.
Und diese Feinjustierung braucht es auch für die Augenbewegungen: Damit wir scharf sehen und auch kein doppeltes Bild wahrnehmen, müssen die Muskeln im und am Augapfel sehr schnell und präzise reagieren. Das erfordert eine sehr schnelle Verarbeitung, vor allem im Kleinhirn. Und dieses wird – wie schon erwähnt – besonders leicht beeinträchtigt durch Alkohol. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass wir unscharf und doppelt sehen, wenn wir betrunken sind. Alkohol beeinträchtigt auch die Bildverarbeitung im gesamten visuellen System des Gehirns. Es kann schon bei geringeren Trinkmengen zu Schwierigkeiten bei der Zusammensetzung beider Augenbilder kommen. Das Gehirn versucht dies zu kompensieren, indem es nur ein Ausschnitt des Gesamtbildes verarbeitet. Es kommt zum Tunnelsehen, wodurch etwa die Fahrtüchtigkeit deutlich beeinträchtigt wird.
Antwort aufgezeichnet von Ragnar Vogt
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Dopamin
Dopamin/-/dopamine
Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.
Serotonin
Serotonin/-/serotonin
Ein Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient. Er wird primär in den Raphé-Kernen des Mesencephalons produziert und spielt eine maßgebliche Rolle bei Schlaf und Wachsamkeit, sowie der emotionalen Befindlichkeit.
GABA
GABA/-/GABA
GABA ist eine Aminosäure und der wichtigste inhibitorische, also hemmende Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Cerebellum
Kleinhirn/Cerebellum/cerebellum
Das Cerebellum (Kleinhirn) ist ein wichtiger Teil des Gehirns, an der Hinterseite des Hirnstamms und unterhalb des Okzipitallappens gelegen. Es besteht aus zwei Kleinhirnhemisphären, die vom Kleinhirncortex (Kleinhirnrinde) bedeckt werden und spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei automatisierten motorischen Prozessen.