Question to the brain

Wie funktioniert Schönheit neurobiologisch?

Questioner: Tim Ptn via Facebook

Published: 21.11.2015

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Oder im Gehirn? Wie funktioniert die Wahrnehmung von Schönheit eigentlich auf neurobiologischer Ebene?

The editor's reply is:

Prof. Christoph Redies, Experimentelle Ästhetik, Universitätsklinikum Jena: Das wissen wir noch nicht genau. Es gibt aber zwei Ansätze, diese Fragestellung zu untersuchen. Beim ersten untersucht man mittels funktioneller Bildgebung, wie das Gehirn reagiert, wenn wir etwas Schönes betrachten. Dabei werden unterschiedliche Hirnregionen angesprochen, insbesondere die folgenden drei Netzwerke: das Belohnungssystem, besonders der mediale orbitofrontale Cortex, desweiteren die Amygdala und andere Zentren, die etwas mit moralischer Bewertung zu tun haben, und schließlich das so genannte „default mode network“. Dieses ist aktiv, wenn wir den Gedanken freien Lauf lassen, uns also nicht auf einen externen Reiz oder eine Aufgabe fokussieren. Neuere Studien zeigten jedoch, dass Aufgaben, die eine Art von Introspektion oder Selbstreflektion erfordern – etwa das Betrachten von Kunst –, dieses Netzwerk ebenso aktivieren.

Der zweite Ansatz, den auch meine Arbeitsgruppe verfolgt, stellt die Frage: Welche Eigenschaften müssen Kunstwerke, Gesichter oder Körper haben, damit wir sie als schön empfinden? Diese sind je nach Objekt unterschiedlich. Ein schönes Bild zum Beispiel sollte nicht zu simpel, aber auch nicht zu komplex sein. Außerdem mögen wir es skalierungsinvariant, das heißt Teile eines Bildes sollten eine ähnliche visuelle Struktur aufweisen wie das Gesamtbild. So entsteht ein gleich bleibendes Verhältnis zwischen groben und feinen Strukturen – egal wie nah man an das Bild herantritt. Dieses Prinzip ist in der Natur weit verbreitet, so dass schöné Kunst möglicherweise die Adaptation unseres Sinnessystems auf natürliche Reize nutzt.

Doch Gesichter sind nicht skalierungsinvariant – trotzdem gefallen sie uns. Insbesondere, wenn sie symmetrisch sind. Man vermutet, dass diese Symmetrie die genetische Fitness signalisiert, da symmetrische Gesichter im Zusammenhang mit einer gesunden Entwicklung stehen. Doch schön ist nicht gleich schön. Nehmen wir zum Beispiel Dürers „Bildnis der Mutter“: ein sehr gutes Bild, doch die faltige Haut der alten Mutter ist nicht attraktiv. So gibt es einen Schönheitsbegriff, der allgemeiner Natur ist, also unabhängig davon, was gezeigt wird, und einen domänenspezifischen Schönheitsbegriff, welcher abhängig davon ist, was wir jeweils betrachten. Das Gehirn verarbeitet beide Arten von Schönheit höchstwahrscheinlich anders: Während mehrere unterschiedliche Regionen die allgemeine Schönheit bewerten, werden die spezielleren Schönheitsbegriffe möglicherweise in ganz bestimmten Hirnregionen verarbeitet. Zum Beispiel ist der fusiforme Gyrus essentiell für die neuronale Verarbeitung von Gesichtern.

Und schließlich gibt es noch die ganz individuellen Vorlieben. Was wir persönlich als schön empfinden, hängt nicht nur vom Aufbau des Objektes ab, welches wir betrachten, sondern auch von der Vereinbarkeit mit dem eigenen Kulturkreis sowie der individuellen Prägung – also den ganz persönlichen Erfahrungen, die für die einzigartige Vernetzung eines jeden Gehirns sorgen. So liegt Schönheit am Ende immer im Auge des Betrachters.

Aufgezeichnet von Nicole Paschek

Amygdala

Amygdala/Corpus amygdaloideum/amygdala

Ein wichtiges Kerngebiet im Temporallappen, welches mit Emotionen in Verbindung gebracht wird: es bewertet den emotionalen Gehalt einer Situation und reagiert besonders auf Bedrohung. In diesem Zusammenhang wird sie auch durch Schmerzreize aktiviert und spielt eine wichtige Rolle in der emotionalen Bewertung sensorischer Reize. Die Amygdala – zu Deutsch Mandelkern – wird zum limbischen System gezählt.

Adaptation

Adaptation/-/adaptation

Zweistufiger Prozess der Anpassung des Auges an die Helligkeit der Umgebung. Im ersten Schritt verändert sich durch den Pupillenreflex die Größe der Pupille, wodurch die Menge des einfallenden Lichts reguliert wird. Im zweiten Schritt ändert sich die Empfindlichkeit der Fotorezeptoren. Dieser Prozess kann bis zu 40 Minuten dauern.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

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