Das Ventrikelsystem
Wer das erste Mal sieht, was sich da tief in unserem Gehirn versteckt, mag staunen: Ein Höhlensystem, gefüllt mit klarer Flüssigkeit und von der Natur in eigenartiger Weise geformt. Ist das ein Alien mit Helm? Oder eher ein Mensch mit Widderhörnern?
Scientific support: Prof. Dr. Jochen F. Staiger
Published: 23.08.2011
Difficulty: intermediate
Das Hohlsystem im Inneren unseres Gehirns besteht aus vier miteinander verbundenen Kammern, den Ventrikeln. Sie sind mit Liquor gefüllt, einer klaren, eiweißarmen und fast zellfreien Flüssigkeit.
Zum Zweck der Diagnose kann der Arzt dem Patienten Liquor über eine Lumbalpunktion entnehmen. Dafür führt er eine lange Nadel zwischen drittem und viertem Lendenwirbel ein. Seltener - nur wenn eine Lumbalpunktion nicht möglich ist - punktiert er direkt den äußeren Liquorraum am Schädel.
Das klingt sehr unangenehm, kann sich aber durch die Sicherung einer Diagnose und eine darauf aufbauende spezifische Therapie lohnen. Zum Beispiel lassen sich im Liquor hervorragend Entzündungen des Zentralnervensystems und der Hirnhäute nachweisen: Die Flüssigkeit enthält dann mehr Zellen und Eiweiße als normal – unter anderem weiße Blutkörperchen. Hin und wieder finden sich auch bakterielle Erreger direkt im Liquor wieder. Bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose sammeln sich vermehrt Antikörper, genauer Immunoglobulin G, in der Gehirnflüssigkeit. Im Falle eines Tumors lassen sich auch Krebszellen detektieren.
Auch die äußere Erscheinung des Liquors verrät vieles: Bei einer Hirnhautentzündung (Meningitis) ist die Flüssigkeit beispielsweise trüb gefärbt. Blutiger Liquor ist ein Hinweis auf eine häufig tödliche Subarachnoidalblutung, bei der Blutgefäße der mittleren Hirnhaut gerissen sind.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Dieses Ding ist wirklich Teil meines Gehirns? Das ist oft der erste Gedanke, wenn man Bilder vom Ventrikelsystem betrachtet. Man weiß nicht ganz, ob es sich dabei vielleicht um einen Aprilscherz handelt oder um einen Tintenkleckstest beim Psychologen. Aber nein, ganz ehrlich: Unser aller Gehirn ist innen zum Teil hohl und das Höhlensystem erinnert tatsächlich an einen Alien mit Helm! Und nicht nur das: Aus seinen Kammern erstrecken sich Gebilde von ungewöhnlicher Struktur und mit einzigartigem Namen — das Bochdalek´sche Blumenkörbchen beispielsweise. Eine Laune der Natur? Natürlich nicht, denn das Ventrikelsystem hat diverse Funktionen.
Betrachten wir den Alien genauer: Ein plattgedrückter Kopf mit Augen und einer insektenartigen Schnauze, ein ungewöhnlich langer, dünner, gebogener Hals an einem mickrigen Oberkörper mit zwei kümmerlichen Ärmchen und auf dem Kopf ein ausladender Helm — so präsentiert sich ein Ausguss des Ventrikelsystems in den Lehrbüchern. Nüchterner betrachtet handelt es sich um vier Hohlräume, die miteinander in Verbindung stehen und mit einer klaren Flüssigkeit, dem Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) gefüllt sind. Dieser Liquor füllt nicht nur die Ventrikel im Inneren, er umhüllt auch außen das Hirn und bildet so einen wirksamen Puffer zwischen hartem Schädelknochen und weichem Gehirn. Nicht mehr als 150 Milliliter Flüssigkeit befinden sich in diesem Liquorsystem – alles andere wäre ungesund (i. e. ein Hydrocephalus).
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Aufbau und Lage
Das Ventrikelsystem besteht aus vier Kammern, die sich einzelnen Abschnitten des Gehirns zuordnen lassen und die mit römischen Zahlen durchnummeriert sind. In den beiden Hemisphären liegen die zwei Seitenventrikel, Nummer I und II. Sie entsprechen dem Helm des Aliens, werden in Lehrbüchern aber auch oft mit einem Horn verglichen. Beide Kammern gliedern sich in das ausufernde Vorderhorn (Cornu frontale) im Stirnlappen, den schmaleren, bogenförmigen Mittelteil (Pars centralis) im Scheitellappen, das kleine, nach hinten zeigende Hinterhorn (Cornu occipitale) im Hinterhauptlappen und das seitlich nach vorn laufende Unterhorn (Cornu temporale) im Schläfenlappen. Dieses letztere grenzt nach unten hin an den Hippocampus, die anderen Abschnitte werden nach oben vom Corpus callosum, nach unten vom Thalamus begrenzt.
Der dritte Ventrikel ist ein enger und hoher, spaltförmiger Raum. Er bildet den Kopf des Aliens und lässt sich dem Zwischenhirn zuordnen. Dabei stößt er an den Thalamus, den Epithalamus und den Hypothalamus. Wenn sich rechter und linker Thalamus berühren – an der Adhaesio interthalamica –, entsteht eine rundliche Aussparung im dritten Ventrikel: das Auge des Außerirdischen. Der Hohlraum läuft in vier schmale, längliche Ausbuchtungen aus — zwei im Gesicht des Aliens, zwei am Hinterkopf.
Der vierten Ventrikel schlussendlich liegt zwischen Hirnstamm – genauer Medulla oblongata und Pons – einerseits und dem Kleinhirn andererseits. Er bildet den Körper des Aliens mit den beiden Ärmchen. An deren offenen Enden, den Aperturae laterales, sind sie zum äußeren Liquorraum zwischen innerer und mittlerer Hirnhaut geöffnet – besagtem „Puffer“ zum Schädelknochen. Eine weitere solche Verbindung bildet die Apertura mediana – sozusagen das Stummelschwänzchen des Aliens. Der vierte Ventrikel setzt sich nach unten hin in den Zentralkanal des Rückenmarks fort.
Die vier Ventrikel stehen miteinander in Kontakt. Zum einen verbinden zwei kurze Ausbuchtungen, die Foramina interventricularia, je einen Seitenventrikel mit dem dritten Ventrikel. Ob nun Widderhorn oder Alienhelm: Hier sind sie am Kopf des Aliens angewachsen. Dessen langer Hals ist eigentlich die „Wasserleitung des Mittelhirns“, der Aquaeductus mesencephali. Durch ihn gelangt der Liquor vom dritten in den vierten Ventrikel.
Die ungewöhnlichen Strukturen des Ventrikelsystems bilden sich im Laufe der Entwicklung, wenn das Neuralrohr – der Ursprung des Zentralnervensystems – sich ausstülpt. Dabei entsteht zuerst ein einzelner Hohlraum, doch indem die verschiedenen Gehirnabschnitte unterschiedlich schnell und stark wachsen, untergliedert er sich in mehrere Kammern. So entsteht allmählich das Alien im Gehirn.
Dieses Alien, dieses Ventrikelsystem hatte für die alten Griechen eine ganz besondere Bedeutung: Hier, so die einhellige Meinung, wäre der Sitz des menschlichen Geistes, ja, sogar seiner Seele. Das eigentliche Gehirn galt den alten Griechen nichts. Eine Meinung, die sich noch bis ins Mittelalter hinein hielt.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Temporallappen
Temporallappen/Lobus temporalis/temporal lobe
Der Temporallappen ist einer der vier großen Lappen des Großhirns. Auf Höhe der Ohren gelegen erfüllt er zahlreiche Aufgaben – zum Temporallappen gehören der auditive Cortex genauso wie der Hippocampus und das Wernicke-Sprachzentrum.
Thalamus dorsalis
Thalamus dorsalis/Thalamus dorsalis/thalamus
Der Thalamus ist die größte Struktur des Zwischenhirns und ist oberhalb des Hypothalamus gelegen. Der Thalamus gilt als „Tor zum Bewusstsein“, da seine Kerne Durchgangstation für sämtliche Information an den Cortex (Großhirnrinde) sind. Gleichzeitig erhalten sie auch viele kortikale Eingänge. Die Kerne des Thalamus werden zu Gruppen zusammengefasst.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Diencephalon
Zwischenhirn/Diencephalon/diencephalon
Zum Diencephalon (Zwischenhirn) gehören unter anderem der Thalamus und der Hypothalamus. Gemeinsam mit dem Großhirn bildet es das Vorderhirn. Im Diencephalon finden sich Zentren für Sensorik, Emotion und zur Steuerung lebenswichtiger Funktionen wie Hunger und Durst.
Epithalamus
Epithalamus/Epithalamus/epithalamus
Ein hinter dem Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns) gelegener Teil des Diencephalons (Zwischenhirn). Zu ihm gehören unter anderem die Habenulae und die Epiphyse.
Hypothalamus
Hypothalamus/-/hypothalamus
Der Hypothalamus gilt als das Zentrum des autonomen Nervensystems, er steuert also viele motivationale Zustände und kontrolliert vegetative Aspekte wie Hunger, Durst oder Sexualverhalten. Als endokrine Drüse (die – im Gegensatz zu einer exokrinen Drüse – ihre Hormone ohne Ausführungsgang direkt ins Blut abgibt) produziert er zahlreiche Hormone, die teilweise die Hypophyse hemmen oder anregen, ihrerseits Hormone ins Blut abzugeben. In dieser Funktion spielt er auch bei der Reaktion auf Schmerz eine wichtige Rolle und ist in die Schmerzmodulation involviert.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Hirnstamm
Hirnstamm/Truncus cerebri/brainstem
Der „Stamm“ des Gehirns, an dem alle anderen Gehirnstrukturen sozusagen „aufgehängt“ sind. Er umfasst – von unten nach oben – die Medulla oblongata, die Pons und das Mesencephalon. Nach unten geht er in das Rückenmark über.
Medulla oblongata
Verlängertes Mark/Medulla oblongata/hindbrain
Bereich des Gehirns, der ins Rückenmark übergeht. Die Medulla oblongata umfasst zahlreiche Kerngebiete mit teils lebenswichtigen Aufgaben wie der Atmung, dem Herzschlag oder bestimmten Reflexen.
Pons
Brücke/Pons/pons
Areal im Hirnstamm zwischen Medulla oblongata und Mesencephalon. Enthält zahlreiche Kerne, die an der Steuerung der Motorik beteiligt sind.
Cerebellum
Kleinhirn/Cerebellum/cerebellum
Das Cerebellum (Kleinhirn) ist ein wichtiger Teil des Gehirns, an der Hinterseite des Hirnstamms und unterhalb des Okzipitallappens gelegen. Es besteht aus zwei Kleinhirnhemisphären, die vom Kleinhirncortex (Kleinhirnrinde) bedeckt werden und spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei automatisierten motorischen Prozessen.
Rückenmark
Rückenmark/Medulla spinalis/spinal cord
Das Rückenmark ist der Teil des zentralen Nervensystems, das in der Wirbelsäule liegt. Es verfügt sowohl über die weiße Substanz der Nervenfasern, als auch über die graue Substanz der Zellkerne. Einfache Reflexe wie der Kniesehnenreflex werden bereits hier verarbeitet, da sensorische und motorische Neuronen direkt verschaltet sind. Das Rückenmark wird in Zervikal-, Thorakal-, Lumbal und Sakralmark unterteilt.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
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Kreislauf des Liquors
Der Liquor cerebrospinalis ist ein beinahe zellfreies und eiweißarmes Ultrafiltrat des Blutes, dessen Zusammensetzung sich von allen anderen Körperflüssigkeiten unterscheidet. Er entsteht hauptsächlich an Adergeflechten im Ventrikelsystem, an den Plexus choroidei. Diese stark durchbluteten Auffaltungen der Ventrikelwände sehen aus wie kleine Brokkoliranken. Sie sitzen im Dach des dritten Ventrikels und reichen bis in Mittelteil und Unterhorn des Seitenventrikels. Eine weitere Filtrierstation findet sich im vierten Ventrikel. Durch die Öffnungen an den Ärmchen schaut ein Teil des Brokkolis heraus, bis in den äußeren Liquorraum. Das erinnert mit viel Phantasie an ein Blumenkörbchen und nennt sich daher Bochdalek-Blumenkörbchen — zu Ehren seines Entdeckers, dem tschechischen Anatomen Vincent Alexander Bochdalek. Zudem sondert das Ependym, die innere einschichtige Zellverkleidung des Ventrikelsystems, Liquor ab.
Etwa 150 Milliliter Liquor fasst unser Schädel insgesamt, 30 innerhalb und 120 außerhalb des Gehirns. Dabei hat der äußere Liquorraum einen erstaunlichen Effekt: indem er das Gehirn umhüllt, reduziert er dessen effektives Auflagegewicht auf den Knochen von 1500 Gramm auf nur 50 Gramm.
Jeden Tag bildet der Körper etwa einen halben Liter Liquor, der gesamte Inhalt wird also etwa dreimal pro Tag ausgetauscht. Wird mehr produziert als resorbiert, staut sich der Liquor im Schädel und es kommt zum äußeren Wasserkopf. Bei Säuglingen beginnt sich daraufhin der noch flexible Schädel zu vergrößern. Es kann aber auch der schmale Aquaeductus zwischen dem dritten und vierten Ventrikel verstopfen, woraufhin sich nur das Ventrikelsystem I-III ausdehnt – so entsteht ein so genannter innerer Wasserkopf. In jedem Fall sind schwere Kopfschmerzen und potenzielle Ausfallerscheinungen des Gehirns die Folge.
Mit Computertomographie und Magnetresonanztomographie lässt sich das Ventrikelsystem problemlos abbilden. Der Arzt kann dann auf Schnittbildern beurteilen, ob es größer ist als normal. Im Falle eines Wasserkopfs versucht er, mit einer Drainage den geregelten Liquorabfluss wieder herzustellen.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Ventrikelsystem
Ventrikelsystem/-/ventricular system
Ein System aus Hohlräumen im Gehirn, die mit Cerebrospinalflüssigkeit (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) gefüllt sind.
Magnetresonanztomographie
Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging
Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.
Die möglichen Folgen eines Hydrocephalus werden hier mit schweren Kopfschmerzen und potenziellen Ausfallerscheinungen beschrieben, dies ist jedoch bei weitem nicht umfassend.