Alzheimer – was nun? Ein Leitfaden für Patienten
Die Diagnose Alzheimer ist ein Schock, keine Frage. Doch so merkwürdig es klingt – das Leben geht weiter. Natürlich müssen Sie einiges verändern, doch gerade jetzt gilt mehr denn je: Nehmen Sie Ihr weiteres Leben in die Hand!
Scientific support: Prof. Dr. Alexander Kurz
Published: 20.09.2013
Difficulty: intermediate
- Die Diagnose Alzheimer sollte immer von Fachleuten gestellt werden. Holen Sie sich gegebenenfalls eine zweite Meinung ein.
- Auch wenn die Diagnose ein Schock ist: Verkriechen Sie sich nicht. Informieren Sie Ihr Umfeld und bitten Sie um Hilfe.
- Wissen ist Macht: Informieren Sie sich über Ihre Krankheit, Behandlungsmöglichkeiten und Pflegeeinrichtungen und Hilfe im Alltag. So können Sie Ihr weiteres Leben aktiv und selbstbestimmt mitgestalten.
- Bleiben Sie aktiv, gehen Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten Ihren Hobbys nach und ernähren Sie sich gesund. Das hilft, Körper und Geist in Schwung zu halten.
- Regeln Sie Ihre Angelegenheiten: Für Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Ihr Testament brauchen Sie einen klaren Kopf. Kümmern Sie sich darum, solange es noch geht.
- Leben Sie Ihre Lebensträume – jetzt oder nie!
„Ach, dieses Dings, wie heißt das noch gleich? Und was wollte ich eigentlich gerade tun?“ Sie sind seit einiger Zeit ganz schön vergesslich und unkonzentriert. Namen und Wörter fallen Ihnen nicht mehr ein, und ständig verlegen Sie Dinge. Vielleicht fällt es Ihnen aber auch schwer, sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden oder Sie irren sich öfter im Datum oder in der Tageszeit. Überhaupt fühlen Sie sich manchmal ganz schön überlastet.
Möglicherweise führen Sie solche „Aussetzer“ auf Stress im Alltag zurück. Sie behelfen sich mit kleinen Eselsbrücken oder Tricks, behaupten, Ihre Brille vergessen zu haben oder gerade in Eile zu sein, um Aufgaben zu vermeiden, die Sie möglicherweise nicht bewältigen können. Wir Menschen sind so – manches wollen wir nicht hören und wahrhaben, selbst wenn die Frage schon in uns rumort: Was, wenn es Alzheimer ist? Über diese Frage sollten Sie nicht lange alleine grübeln. Deshalb lautet der erste Rat:
Bei Verdacht zum Arzt
„Eine frühzeitige Diagnose kann die Behandlungserfolge einer Demenzerkrankung verbessern“, sagt Demenz-Forscher Wolf D. Oswald von der Universität Erlangen-Nürnberg. „Deshalb sollten erste Zeichen ernst genommen werden.“ Eine ärztliche Untersuchung bringt Klarheit.
Bei anhaltenden Gedächtnis– und Konzentrationsproblemen wenden Sie sich am besten zunächst an Ihren Hausarzt. Er wird Sie gegebenenfalls an einen Spezialisten überweisen. Auch Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden sind gute Anlaufstellen. Eine Liste solcher Einrichtungen stellt beispielsweise die Deutsche Alzheimer Gesellschaft zur Verfügung.
Besteht der Verdacht einer Demenz, führen Fachärzte umfassende Untersuchungen durch. So lässt sich Alzheimer mit hoher Sicherheit feststellen – oder aber ausschließen. Denn möglicherweise sind andere Ursachen für Ihre Probleme verantwortlich – Ursachen, die sich im besten Falle gut behandeln lassen.
Doch „auch wenn Sie bereits mit der Diagnose Alzheimer konfrontiert wurden, kann es sinnvoll sein, sich an einen Spezialisten zu wenden und eine zweite Meinung einzuholen“, sagt Alexander Kurz, Leiter der Gedächtnissprechstunde der Technischen Universität München.
Diagnose Alzheimer – und jetzt?
Die Diagnose ist in der Regel ein Schock. Schließlich handelt es sich bei Morbus Alzheimer um eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung (Schleichend zum Vergessen). Heilung gibt es bislang nicht und früher oder später werden Betroffene zum Pflegefall.
Die gute Nachricht: Sie können etwas tun! Geeignete Medikamente, aber auch nicht-medikamentöse Methoden wie Verhaltenstherapie, Musik– und Kunsttherapie können helfen. „Wir können Alzheimer zwar nicht heilen, aber durch geeignete Therapien das Fortschreiten des Krankheitsverlaufs verzögern und so die Lebensqualität entscheidend verbessern“, so Oswald. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, welche Therapieverfahren für Sie in Frage kommen.
Wichtig sei auch, nicht von heute auf morgen alles aufzugeben, sondern im Rahmen der eigenen Möglichkeiten aktiv und selbstbestimmt zu bleiben, rät Alexander Kurz. „Wenn Betroffene ihre Alzheimer-Diagnose in einem sehr frühen Stadium bekommen, stehen sie oft noch mitten im Leben, manchmal sogar noch im Beruf.“ (Alzheimer von innen)
Morbus Alzheimer
Morbus Alzheimer, Alzheimer-Krankheit/Morbus Alzheimer/Alzheimer's desease
Bislang unheilbare Form der Demenz, erstmals beschrieben von dem deutschen Psychiater Alois Alzheimer 1906. Zu den Symptomen gehören anfangs eine milde Vergesslichkeit und Orientierungsstörungen. Später kommt es zum Beispiel zu Sprachveränderungen und Gedächtnisverlust. Die Ursache ist noch unklar, es kommt jedoch zu pathologischen Eiweißablagerungen sowohl zwischen als auch in den Zellen. Betroffen sind corticale Areale.
Neurodegeneration
Neurodegeneration/-/neurodegeneration
Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.
Informieren Sie sich
Wissen ist Macht: Wer über seine Krankheit Bescheid weiß, kann gemeinsam mit seinem Arzt und seinen Angehörigen Entscheidungen treffen – über die Behandlung, aber auch über Fragen des Alltags mit der Krankheit. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet mit dem Alzheimer-Telefon professionelle Beratung rund um das Krankheitsbild, aber auch zu Behandlungsmöglichkeiten, Pflege und rechtlichen Fragen. Vielleicht möchten Sie sich auch mit anderen Betroffenen austauschen. Dann kann eine der zahlreichen Selbsthilfegruppen weiterhelfen.
Vergraben Sie sich nicht – nehmen Sie Hilfe an
„Die Diagnose Alzheimer betrifft nicht nur die kranke Person, sondern immer auch ihr soziales Netz“, sagt Kurz. Informieren Sie Ihr Umfeld über Ihre Krankheit und bitten Sie um Verständnis und Unterstützung. Nehmen Sie Hilfe an, wenn Sie im Alltag nicht mehr alles alleine bewältigen können. Nachbarschaftshilfen oder „Helferkreise“ springen ebenfalls ein – Freiwillige, die Sie etwa bei Ausflügen in die Stadt begleiten oder mit Ihnen in die Oper gehen. Auch hier vermitteln Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Alzheimer-Telefons geeignete Kontakte.
Bleiben Sie aktiv
Moderater Sport, Spaziergänge an der frischen Luft, Kreuzworträtsel, Lesen, Kino, Oper, Gespräche mit anderen Menschen – all das hilft, Körper und Geist in Schwung zu halten. Machen Sie, was Ihnen Freude bereitet, aber setzen Sie sich nicht unter Druck. „Es hat keinen Sinn, verloren gegangene Fähigkeiten zu trainieren“, sagt Kurz. „Besinnen Sie sich lieber auf das, was noch geht, und gestalten Sie auf dieser Grundlage Ihr Leben.“ Vielleicht schaffen Sie sich eine klare Tages– und Wochenstruktur. Durch die Krankheit leidet oft die Eigeninitiative – Routinen und feste Termine können helfen, aktiv zu bleiben.
Essen Sie gut
Achten Sie auf gesunde, ausgewogene Ernährung und vor allem auf ausreichend Flüssigkeit. Das schützt das Gehirn vor zusätzlichen Schäden und hilft so, den Krankheitsverlauf etwas hinauszuzögern. Von übermäßig fetten Speisen und Zigaretten sollten Sie lieber die Finger lassen.
Machen Sie Ihren Alltag sicherer
Eine Reihe technischer Hilfsmittel hilft im Zweifel, den Alltag sicherer zu machen. So gibt es spezielle Sicherungen, die Herd und Bügeleisen ausschalten, bevor sie sich überhitzen und es zum Wohnungsbrand kommt. Lampen mit Bewegungsmeldern helfen, sich zu orientieren, wenn Sie nachts aufstehen müssen. Haltegriffe und Rutschsicherungen im Badezimmer schützen Sie ebenso wie Temperaturregler an Wasserhähnen, die Sie auf eine bestimmte Maximaltemperatur einstellen können.
Lassen Sie das Auto stehen
Auch wenn es schwer fällt, die eigene Mobilität einzuschränken: Lassen Sie das Auto stehen – selbst wenn Sie sich im Moment am Steuer noch sicher fühlen! Durch die Krankheit verlängert sich die Reaktionsgeschwindigkeit, und die Konzentrationsfähigkeit leidet. Irgendwann schaffen Sie es nicht mehr, schwierige Situationen zu überblicken. „Das gilt selbst in einem frühen Krankheitsstadium“, sagt Kurz. „Ich kann daher nur raten, sich Alternativen zum Autofahren zu suchen und den Führerschein abzugeben.“
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Regeln Sie Ihre Angelegenheiten
Noch haben Sie die berechtigte Hoffnung, einige Jahre weitgehend selbständig zu leben. Aber was, wenn die Krankheit weiter fortschreitet und Sie Pflege benötigen? Wie wollen, wie können Sie versorgt werden? Sind Angehörige in der Lage, Sie zu betreuen? Kommt eher ein Pflegeheim in Frage oder eine betreute Wohngemeinschaft? Die Betreuungsfrage ist Typ-Sache und hängt stark von den persönlichen Lebensumständen ab. Bestimmen Sie selbst, wie Ihre Pflege künftig aussehen soll. Schauen Sie sich dazu nach Möglichkeit verschiedene Einrichtungen an.
Auch alle anderen wichtigen Lebensfragen sollten Sie jetzt regeln. Wer soll Entscheidungen in Ihrem Sinne treffen, wenn Sie eines Tages selbst nicht mehr dazu in der Lage sind? Wer soll Ihre finanziellen Angelegenheiten übernehmen, über medizinische Eingriffe entscheiden oder gegebenenfalls einen Platz im Pflegeheim auswählen? Welche medizinischen Maßnahmen wünschen Sie?
Wichtige Dokumente dafür sind die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung. Musterschreiben für diese Dokumente finden Sie auf www.alzheimerinfo.de unter dem jeweiligen Stichwort.
Mit der Vorsorgevollmacht bestimmen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die Ihre Interessen vertritt – etwa bei Bankangelegenheiten – wenn Sie selbst es eines Tages nicht mehr können. Regeln Sie die Vorsorgevollmacht, solange Sie dazu noch in der Lage sind. Der Gesetzgeber verlangt, dass Sie bei der Regelung Ihrer Vorsorgevollmacht voll geschäftsfähig sind. Bei fortgeschrittener Demenz ist dies nicht mehr gegeben.
Mit der Patientenverfügung legen Sie fest, welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen – insbesondere wenn es am Lebensende um Intensivmedizin und lebenserhaltende Maßnahmen geht. Alexander Kurz rät: „Formulieren Sie Ihre Patientenverfügung detailliert. Dann sind Ihre Angehörigen in der Lage, in Ihrem Sinne zu entscheiden.“
Auch Ihr Testament werden Sie aufsetzen wollen. Wenn Sie einen Notar hinzuziehen, wird dieser dafür Sorge tragen, dass die Regelungen in dem Testament rechtlich einwandfrei und inhaltlich unmissverständlich sind.
Demenz
Demenz/Dementia/dementia
Demenz ist ein erworbenes Defizit kognitiver, aber auch sozialer, motorischer und emotionaler Fähigkeiten. Die bekannteste Form ist Alzheimer. „De mentia“ bedeutet auf Deutsch „ohne Geist“.
Lebensträume: jetzt oder nie
Wie gesagt: Mit der Diagnose Alzheimer ist Ihr Leben noch lange nicht zu Ende. Und das ist gut so. „Wir erleben oft, dass die Diagnose Menschen trifft, die noch viel vorhatten“, sagt Alexander Kurz. Und er hat einen ganz praktischen Tipp: „Leben Sie Ihre Lebensträume – jetzt oder nie! Wahrscheinlich wird die Weltreise mit dem Partner holprig, aber bestimmt werden Sie sie trotzdem genießen.“
zum Weiterlesen:
- Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. mit ausführlichen Informationen für Betroffene und Angehörige; URL: www.deutsche-alzheimer.de [Stand: 20. September 2013]; zur Webseite.
- Alzheimer Forschung Initiative e.V. mit zahlreichen Informationen für Betroffene und Angehörige; URL: www.alzheimer-forschung.de [Stand: 20. September 2013]; zur Webseite.