Nicht nur in Mund und Nase
Geschmacks– und Geruchsrezeptoren gibt es nicht nur in Mund und Nase. Forscher finden sie an immer mehr Orten im Körper – sogar im Gehirn. Sie beginnen, ihre Funktionen zu entschlüsseln, und hoffen auf Einsichten in die Entstehung von Krankheiten.
Scientific support: Prof. Dr. Thomas Hummel
Published: 29.03.2018
Difficulty: intermediate
- Geschmacks- und Geruchsrezeptoren gibt es nicht nur in Mund und Nase.
- Forscher finden sie an immer mehr Orten im Körper: in der Lunge, in Blut- und Muskelzellen, auf Spermien, sogar im Gehirn.
- Sie beginnen ihre Funktionen zu entschlüsseln und hoffen auf Einsichten in die Entstehung von Diabetes und anderen Erkrankungen.
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Als Charles S. Zuker und Nicholas Ryba mit ihren Teams an den Universitäten von Columbia und Washington die Rezeptoren für unsere fünf Grundgeschmäcker entdeckten Das Geheimnis des Geschmackserlebens, hatten sie sie dort gesucht, wo es am naheliegendsten war: auf der Zunge. Doch nun wird immer deutlicher, dass die Zunge kein Monopol auf Geschmacksrezeptoren hat – so wenig wie Geruchsrezeptoren nur in der Nase vorkommen.
2003 entdeckte Thomas E. Finger vom Rocky Mountain Taste and Smell Center der Universität Colorado Geschmacksrezeptoren in der Nase von Ratten und Mäusen, später auch in der Nase des Menschen. Seither geht es Schlag auf Schlag: Geschmacks– und Geruchsrezeptoren fanden sich in den Atemwegen, im Magen, in der Niere, im Darm, in Muskelzellen, im Gehirn, im Blut, selbst auf Spermien.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Mit dem Herzen schmecken?
Schmeckt also das Herz den Sonntagsbraten? Riecht das Gehirn, wenn wir Knoblauch gegessen haben, oder Blutzellen den soeben verspeisten Apfelkuchen? Ekeln sich die Muskeln, wenn wir in eine ranzige Haselnuss beißen?
Nein. Haben die Geschmacks– und Geruchsrezeptoren keine Verbindung zu den Geschmacks– und Geruchszentren des Gehirns, führt ihre Aktivierung für den Menschen auch nicht zu einem Geschmacks– bzw. Geruchserlebnis. In anderen Körperteilen als Zunge und Nase fungieren diese Rezeptoren aber ebenso wie in Mund und Nase als Chemodetektoren. Sie stellen fest, ob bestimmte Stoffe vorhanden sind, und lösen dann bestimmte Reaktionen aus. Welche genau, hängt davon ab, in welchem System sie sich befinden. “Jede Zelle ist darauf angewiesen, mit ihrer Umgebung zu kommunizieren, und das geschieht unter anderem mittels Chemosensorik”, erklärt Jörg Strotmann, Professor am Institut für Physiologie der Universität Hohenheim. “Die Chemosensorik ist in der Evolutionsgeschichte schon sehr alt, man findet sie schon bei dem Fadenwurm C. elegans. Offenbar hat die Natur ihre Erfindung wieder und wieder verwendet.”
Die Funktion einiger dieser an ungewöhnlichen Orten zu findenden Geschmacks– und Geruchsrezeptoren verstehen die Forscher bereits ganz gut, bei anderen testen sie Vermutungen. Doch es gibt auch solche, bei denen sie noch komplett im Dunklen tappen. So viel ist bisher bekannt: Chemosensoren können in Organen intrazelluläre Reaktionskaskaden aktivieren, die zur Freisetzung von Hormonen oder Neurotransmittern führen; diese wiederum übermitteln Signale an andere Teile des Körpers. Oder die Chemosensoren beeinflussen unmittelbar die Reaktion der Zellen, auf denen sie sitzen.
Thomas Finger konnte zeigen, dass die Bitter-Rezeptoren in der Nase der Maus auf Fremdstoffe reagieren, die in die Luftwege eingedrungen sind, aber auch auf Stoffwechselprodukte von Bakterien, die sich in der Nasenhöhle angesiedelt haben. Einmal aktiviert, sorgen die Bitter-Rezeptoren dafür, dass ein Stoff in das umliegende Gewebe abgegeben wird, der eine lokale Entzündung auslöst – und so auch das Immunsystem aktiviert, um Eindringlinge zu bekämpfen und schädliche Stoffe daran zu hindern, tiefer in die Atemwege zu gelangen.
In Zellkulturen aus den unteren menschlichen Luftwegen regen Bitter-Rezeptoren bei Aktivierung die Zilien (feinste Härchen) auf der Zelloberfläche zu stärkerer Bewegung an – was dazu dienen könnte, Stoffe von der Zelloberfläche wegzuschwemmen, die dort nicht hingehören. In einem anderen Experiment brachten bitter schmeckende Substanzen, die mit Muskelzellen aus den menschlichen Atemwegen zusammengebracht wurden, diese dazu, sich zu entspannen. Ob dies ein viel versprechender Ansatz zur Entwicklung eines Asthma-Medikaments sein kann, ist aber umstritten.
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Umami-Rezeptoren auf Spermien
Ingrid Boekhoff und ihr Team vom Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München fanden Umami-Rezeptoren auf Spermien von Mäusen und Menschen. “Wir haben zuerst vermutet, dass sie den Spermien helfen, ihren Weg zur Eizelle zu finden”, berichtet die Forscherin. “Aber das hat sich nicht bestätigt.” Stattdessen weisen ihre Befunde in eine andere Richtung: Im Kopf von Spermien befindet sich ein mit Verdauungsenzymen gefülltes Vesikel (Bläschen). Der Kontakt mit der Eizelle führt dazu, dass diese Enzyme freigesetzt werden und die Hülle der Eizelle “verdauen”, sodass Spermien und Eizelle verschmelzen können. Verliert das Spermium dieses Vesikel, bevor es in der Nähe der Eizelle ist, kann es die Eizelle nicht mehr befruchten. “Daran scheint der Umami-Rezeptor in den Spermien beteiligt zu sein”, berichtet Boekhoff. Die Forscher konnten zeigen, dass Mäusespermien ohne Rezeptor vermehrt dazu neigen, dieses Vesikel zu verlieren – auch ohne Eizellkontakt.
Ganz gut verstanden ist auch die Rolle der Süß– und Umami-Rezeptoren im Verdauungstrakt. Wenn zucker– oder glutamatreiche Nahrung in den Magen gelangt, sorgen diese Rezeptoren dafür, dass ein Hormon freigesetzt wird, das den Appetit anregt. Auf ihrem Weg durch den Darm werden süße Substanzen von Rezeptoren in Zellen der Darmschleimhaut registriert, die daraufhin Inkretine produzieren – Hormone, die wiederum die Freisetzung von Insulin anregen. Je schneller dies geschieht, desto mehr Insulin wird produziert. Daraufhin wird der Zucker von unterschiedlichen Geweben aus dem Blutstrom aufgenommen.
Die Geschmacksrezeptoren des Verdauungstraktes liefern vielleicht auch eine Erklärung für einen schon länger bekannten Effekt: Zucker, der über die Nahrung aufgenommen wird, aktiviert die Insulin-Produktion viel stärker als Zucker, der über die Blutbahn aufgenommen wird.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Hormon
Hormon/-/hormone
Hormone sind chemische Botenstoffe im Körper. Sie dienen der meist langsamen Übermittlung von Informationen, in der Regel zwischen dem Gehirn und dem Körper, z.B. der Regulation des Blutzuckerspiegels. Viele Hormone werden in Drüsenzellen gebildet und in das Blut abgegeben. Am Zielort, z.B einem Organ, docken sie an Bindestellen an und lösen Prozesse im Inneren der Zelle aus. Hormone haben eine breitere Wirkung als Neurotransmitter, sie können verschiedene Funktionen in vielen Zellen des Körpers beeinflussen.
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Süß beschreibt nur die Oberfläche
Diese Zusammenhänge zu verstehen, könnte von großer Bedeutung für die Behandlung von Diabetes sein, vermutet Anthony Sclafani von der City University of New York. “Dass wir ein Nahrungsmittel mögen, weil es süß ist, beschreibt nur die Oberfläche”, erklärt Strotmann. Denn was mit der Nahrung im Organismus geschieht, hängt von der Feinsteuerung des Verdauungssystems ab. Dort entscheidet sich etwa, wie viel Magensaft produziert wird oder wie stark sich der Darm bewegt. Wenn es nun Probleme mit den Rezeptoren in diesem Teil des Verdauungssystems gibt, könnte dies zu Fehlsteuerungen führen. Dann wird vielleicht viel zu viel Glukose aufgenommen. Das könnte bei Diabetes eine Rolle spielen. “Vor allem wird aber derzeit der Zusammenhang solcher Fehlsteuerungen mit Übergewicht diskutiert”, berichtet Strotmann. Er ist überzeugt: “Die Rolle dieser dort neu entdeckten Rezeptoren zu verstehen, ist ein hochgradig wichtiger Schritt, um die Nahrungsaufnahme zu verstehen.”
Bitter-Rezeptoren im Dickdarm lösen bei Aktivierung ein Sättigungsgefühl aus. Oder sie setzen Anionen frei, die Wasser anziehen und so Durchfall verursachen – vielleicht, um sich vor dem Eindringen giftiger Substanzen zu schützen, die häufig bitter schmecken. Die Geruchsrezeptoren in der Niere beeinflussen den Blutdruck.
Die Funktion von Geruchsrezeptoren in bestimmten Regionen des Gehirns ist hingegen noch völlig rätselhaft. “Bis heute versteht niemand, wie das Nervensystem alle Funktionen des Organismus steuert. Und jetzt kommen diese Rezeptoren ins Spiel, die offensichtlich niemand auf der Liste hatte, die aber sicherlich eine Rolle spielen”, freut sich Strotmann über das neu entstehende Forschungsfeld.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Identifikation nach Gensequenz
Und wie findet man die Rezeptoren an so ungewöhnlichen Stellen? Manchmal suchen die Forscher sie, manchmal finden sie sie durch Zufall: etwa wenn sie sich die Produkte der Transkriptionsprozesse, der Ableseprozesse der DNA, in einer Zelle ansehen und dabei auf Muster stoßen, die sie aus Geweben der Zunge oder der Nase kennen. Die genetische Codierung verrät ihnen auch, ob sie es mit einem Geruchs– oder einem Geschmacksdetektor zu tun haben. Denn da die Rezeptoren weder Geruch noch Geschmack hervorrufen, kann man sie daran nicht unterscheiden. Und auch ein anderes Kriterium versagt: In der Nase reagieren die Geruchsrezeptoren auf Moleküle in der Atemluft, die Geschmacksrezeptoren auf Moleküle, die in der gekauten Nahrung gelöst sind. Im Körperinneren aber gibt es nur gelöste Moleküle. Also kann man die Rezeptoren auch nicht danach unterscheiden, ob sie auf flüchtige oder auf gelöste Moleküle reagieren. So bleibt nur der Blick auf die Gensequenz.
“Stellen Sie sich vor, man hätte die Geruchsrezeptoren zuerst in der Niere gefunden, dann würden sich die Forscher heute wundern, warum wir Rezeptoren aus der Niere in der Nase haben”, amüsiert sich Strotmann über die Begriffsverwirrung. Einen eigenen Namen haben die Chemosensoren, die dort sind, wo man sie nicht erwartet hatte, übrigens auch noch nicht.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Geschmack
Geschmack/-/flavor
Der Sinneseindruck, den wir als „Geschmack“ bezeichnen, ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen Geruchs– und Geschmackssinn. Sinnesphysiologisch ist „Geschmack“ jedoch auf den Eindruck begrenzt, den uns die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge und in den umgebenden Schleimhäuten zuführen. Aktuell geht man davon aus, dass es fünf verschiedene Sorten von Geschmacksrezeptoren gibt, die auf die Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter und umami spezialisiert sind. 2005 haben Wissenschaftler zudem einen möglichen Geschmacksrezeptor für Fett identifiziert.
zum Weiterlesen:
- Finger TE, Kinnamon SC: „Taste isn’t just for the buds anymore“, F1000 Biology Reports 2011, 3:2 (zum Abstract).
- Arbeitsgruppe von Ingrid Boekhoff; URL: http://www.wsi.med.uni-muenchen.de/forschung/allg_pharma_toxi/boekhoff/index.html [Stand: 10.10.2013], zur Webseite.
- Thomas E. Finger Lab; URL: http://www.ucdenver.edu/academics/colleges/medicalschool/centers/tastesmell/Pages/TFingerLab.aspx [Stand: 10.10.2013], zur Webseite.