Beispielhaft: Der Weihnachtsmann
Die Wirtschaft klagt über Nachwuchssorgen – zu Unrecht. Viele Ältere sind nicht nur fit, sondern dazu noch kompetent! Der Weihnachtsmann zum Beispiel: ist sportlich, hat ein gutes Gedächtnis und führt erfolgreich ein Unternehmen!
Published: 27.11.2014
Difficulty: intermediate
dasGehirn.info bemüht sich stets um eine Sprache auf der Höhe der Zeit. Für Leser, die mit den aktuellen Modebegriffen des Business nicht vertraut sind, hier die Fachbegriffe übersetzt:
- Awesome (erfurchtgebietend, hammermäßig):
Inflationär verwendeter Hinweis in Produktpräsentationen, dass es sich beim vorliegenden Gerät um die jüngste und beste Version seiner Art handelt. - Change Management (Veränderungsmanagement):
Veränderung von Prozessen und Strukturen einer Unternehmung mit dem Ziel, besser und erfolgreicher zu werden. Funktioniert sehr gut, vor allem für Unternehmensberater. - Controlling (Steuerung):
Grundsätzlich gedacht als allgemeine Steuerung des Unternehmens in Planung und Koordination. Meist schauen Controller durch die Brille der Kostensenkung, weshalb der Begriff meist mit bedrohlichem Unterton ausgesprochen wird. - Corporate Culture (Unternehmenskultur):
Das Wertesystem einer Unternehmung, das den Umgang untereinander und damit die Situation der Angestellten definiert. Das eine Extrem: "Up or out" fordert einen unbedingten Aufstieg in einem bestimmten Zeitraum bei Androhung von Kündigung, wenn der Angestellte die nächste Karrierestufe nicht erreicht. Am anderen Ende des Spektrums stünde ein „Gemeinsam sind wir stark“. - Headhunter (Personalabwerber „Kopfgeldjäger“): Ein Profi im Auffinden des optimalen nächsten Mitarbeiters. Vorzugsweise einer von der Konkurrenz mit langer Kundenliste.
- „Im gegenseitigen Einvernehmen“:
Meist eine beschönigende Formel für „Kündigung mit Schweigegeld“. - Outsourcing (Auslagern):
Eine mehr oder weniger wichtige Aufgabe – Entwicklung, Marketing, Fertigung – wird nicht von eigenen Angestellten erledigt, sondern als Auftrag an eine andere Firma vergeben. Ziel ist eine Kostenersparnis. Funktioniert im Bereich Personal, schafft in vielen anderen Probleme. - R&D (Research and Developement):
Der Quell allen Umsatzes: Forschung und Entwicklung. - Soft skills (Soziale Kompetenz):
Meist werden Mitarbeiter nach Wissen und Intelligenz ausgewählt. Erfolg definiert sich aber auch durch „weiche“, menschlichere Faktoren, durch Belastbarkeit oder den überlegten Umgang mit anderen.
Es gibt immer weniger Nachwuchs! Demographischer Wandel heißt das, und sorgt für Sorgenfalten in den Chef-Etagen der Unternehmen. Die suchen händeringend gute Leute – und dazu wurden noch unlängst ältere Mitarbeiter nicht gezählt; sie galten als zu langsam, zu unflexibel, zu eingefahren. Das hat sich geändert. Inzwischen lernen Arbeitgeber die Qualitäten älterer Semester wieder zu schätzen. Und was die alten Herrschaften plötzlich nicht alles wieder können: Sie sind erfahrener, gelassener, durchaus lernfähig und, so man ihnen den Arbeitsplatz entsprechend gestaltet, körperlich sogar gesund! All das steht zu lesen in den verschiedenen Medien.
Wirklich neu ist das dem nicht, der zur richtigen Jahreszeit Richtung Nordpol, dem anzunehmenden Wohnort des Weihnachtsmanns, schaut. Gerade geht das Zeitfenster wieder auf: Es weihnachtet, endlich, denn der dazugehörige Konsumrausch rettet mit zweistelligen Milliardenbeträgen den Umsatz des ganzen Jahres. Und wer ist für die Gesamtabwicklung verantwortlich? Ein einziger Mann! Hochbetagt, übergewichtig und schlecht rasiert macht er diesen Job seit bald 200 Jahren – bei 100 Prozent Zuverlässigkeit und 0 Prozent Fehlzeit. Er ist vielleicht kein ganz typischer Vertreter seiner Art. Aber er zeigt, in welche Richtung es für die Wirtschaft und die rüstige Generation 50+ gehen könnte.
Weltenbummelei einmal anders
Senioren reisen gern. Dabei lassen sie sich üblicherweise Zeit und schätzen den Komfort einer Außenkabine. Nicht so der Weihnachtsmann, sein Kutschbock scheint nicht stärker gepolstert als üblich und was die Zeit angeht: 24 Stunden hat er zur pünktlichen Auslieferung sämtlicher Geschenke. Die Logistik ist kompliziert, denn der Kunde lebt quasi überall und die Folge ist ein permanenter Nord-Süd-Zickzack auf dem Scheitelpunkt des heiligen Abends. Höchstgeschwindigkeit ist gefragt und damit schnelle Reaktion, denn selbst am Heiligabend ist der Luftraum überfüllt. Schnelle Reflexe gehören im Allgemeinen nicht zu den Stärken älterer Menschen, wenn auch mit dem Alter das Geld und mit dem Geld die PS-starken Oberklasse-Limousinen kommen. Allerdings werden sie, die Reflexe, im Beruf eher selten abgefragt. Vielleicht ein Fehler, denn laut einer Studie von Ian Deary an der Universität Edinburgh gilt: Gute Reflexe sorgen für ein langes Leben. Was besonders hinter dem Steuer eines schnellen Fahrzeuges sofort einsichtig ist.
Beim Weihnachtsmann sind es natürlich nicht 300 PS, sondern nur 6 RS. Diese sechs Rentiere leisten zwar Unglaubliches, doch wer Kollegen nur aufgrund einer roten Nase mobbt, soll in diesem Text keine weitere Erwähnung finden (Quelle: Sinatra, Rudolph the red-nosed reindeer).
Kommen wir daher zur körperlichen Aktivität unseres Protagonisten: Einer Studie zufolge beliefert der Weihnachtsmann 104,17 Haushalte pro Sekunde. Zur richtigen Zeit die richtigen Pakete in der Hand, Kamin runter, Geschenke drapieren, Kamin rauf, Peitschenknall, Ho! Ho! Ho!, und von vorn. Ob dieses Pensum ohne regelmäßiges Training zu leisten ist? Jeder Spitzensportler wird das verneinen, doch wir wissen wenig über die Aktivitäten des Weihnachtmannes zwischen Januar und November. Auch über die Qualität seiner Gene ist wenig bekannt.
Was wir jedoch wissen, ist, dass körperliche Aktivität in jedem Alter einer der effektivsten Schutzfaktoren für ein einsatzfreudiges Gehirn darstellt: Ein gesundes Herz sorgt für ein gut durchblutetes und damit ebenfalls gesundes Hirn. Und allein das fröhliche Ho! Ho! Ho! bestätigt eine aktuelle Studie vom Karolinska-Institut, nach der eine gut trainierte Skelettmuskulatur Enzyme produziert. Diese reinigen das Blut von allerlei schädlichen Substanzen, sorgen schlussendlich sogar dafür, dass im Gehirn weniger Stresshormone aufkommen und damit Depression vermieden wird. Vielleicht ist das ein allgemeiner Tipp für DAX-Konzerne: Wer sein Management liebt, erweitert die Jobbeschreibung um tägliche sportliche Höchstleistungen.
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Gen
Gen/-/gene
Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.
Depression
Depression/-/depression
Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.
Echte Führungspersönlichkeit
Wer nun vermutet, ein richtig stressiger Arbeitstag pro Jahr müsste mit 364 Urlaubstagen aufgefangen werden, der irrt. Um den Heiligen Abend erfolgreich zu absolvieren, braucht es eine perfekt organisierte Produktion. Gut, es fehlen einige Abteilungen, wie wir sie von anderen modernen Konzernen kennen. Namentlich Vertrieb und Marketing wurden komplett outgesourced. Dafür ist allein die hauseigene Postabteilung größer als alles irdisch Vorstellbare: Wünsche aus aller Herren Länder müssen verarbeitet werden, und die wenigsten davon kommen per Brief – einige werden gar nur gedacht! Kein Problem für das Team des Weihnachtsmanns. Wobei an dieser Stelle zugegeben werden muss, dass es sich hier primär um Engel und Elfen und andere höhere Lebensformen handelt. Entsprechend liegen Kompetenz und Motivation weit über dem Durchschnitt.
Gleichwohl dürfen wir nicht davon ausgehen, dass himmlisches Personal auch himmlische Teamarbeit leistet. Streitereien und andere Probleme sind in den einschlägigen Dokumentarfilmen (zu sehen primär im Kinderkanal) immer wieder zu sehen und fordern die weniger beachteten Fähigkeiten des Weihnachtsmannes: Es mag auf der zweiten Führungsebene gute Leute für Personal, Beschaffung und Produktion geben. Doch schlussendlich lastet die Verantwortung auf dem Weihnachtsmann – auch und gerade im Bereich Corporate Culture, der Unternehmenskultur. Nun sollte man in der Branche des Weihnachtsgeschäfts annehmen dürfen, dass der Chef besonders im Bereich der Soft Skills – der Sozialkompetenz – ziemlich gut aufgestellt ist. Das sollte allein schon das dem Aufsichtsrat vorsitzende Christkind garantieren. Auch besagte Dokumentationen zeigen ihn primär als streng, aber gerecht und verständnisvoll.
Motivation
Motivation/-/motivation
Ein Motiv ist ein Beweggrund. Wird dieser wirksam, spürt das Lebewesen Motivation – es strebt danach, sein Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel nach Nahrung, Schutz oder Fortpflanzung.
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Ständige Flexibilität ist Pflicht
Seit der Weihnachtsmann seinen Job vor rund 200 Jahren angetreten hat, hat sich der Markt radikal verändert. Die Zahl der Kunden ist gewachsen – X-Mas ist ein Exportschlager, das Hauptwachstum wird in Asien erwartet, natürlich – und die gewünschten Produkte sind heute ganz andere. Zuckerstangen, Trommeln und Zinnsoldaten locken heute kein Kind mehr unter den Weihnachtsbaum. Das Angebot ist enorm gewachsen. Und so lassen sich am Nordpol durchaus größere Fertigungsanlagen vermuten. Betrachtet man die zunehmend technologisierten Geschenke unterm Weihnachtsbaum, muss man dem Weihnachtsmann auch hier eine beeindruckende Lernfähigkeit zugestehen: Die Entwicklung von der Blechtrommel zum iPad in nur 100 Jahren verlangt Fähigkeiten in R&D (Forschung und Entwicklung) und Fertigung mit fantastischen Werten auf der nach oben offenen awesome („Ist-ja-der-Hammer“)-Skala.
Zudem ist, was letztes Jahr noch die Krone aller menschlichen Kultur darstellte, in diesem Jahr meist Schnee vom letzten Weihnachten. Entsprechend braucht die Produktion permanent neue Werkzeuge, muss das Personal ständig auf dem neuesten Stand gehalten werden. Das wiederum bedarf einer himmlischen Controlling-Abteilung und wirft Management und Mitarbeiter von einem Change-Prozess (Veränderungsprozess) in den nächsten, woran man sich mit der Zeit womöglich sogar gewöhnen kann.
Der Effekt auf die geistigen Fähigkeiten sämtlicher Mitarbeiter und natürlich auch des Chefs entspricht einem fortlaufenden Training: An Rasten ist nicht zu denken, zum Rosten kommt keiner. Das stimmt durchaus mit den Forschungen an gewöhnlichen Menschen überein: Alte Gehirne lernen leicht und flüssig, wenn sich der Lernstoff im Bereich des bekannten Terrains bewegt. Beim Weihnachtsmann ist das nicht anders: Seine Expertise besteht in der Produktion und Logistik von Geschenken. Dass sich Geschmäcker mit der Zeit wandeln – wer hätte hier mehr Erfahrung als er? Und so passt er sich an. Vermutlich greift er für seine geistige Fitness auch nicht auf das Gehirn-Jogging eines Dr. Kawashima zurück – absolviert er doch allein schon in der Behaltensleistung all dieser Wunschzettel einen wahren Gehirn-Marathon.
Einziger Minuspunkt: der Bauch
Bevor nun einige Dax-Vorstände „im gegenseitigen Einvernehmen“ ihren Arbeitgeber verlassen dürfen, in der Hoffnung, der Weihnachtsmann werde seinen Lebensmittelpunkt weiter in den Süden verlagern, so das Angebot nur gut genug sei – einen gewichtigen Nachteil würde er schon mitbringen: Der Bauch ist schon eine ganze Nummer zu groß. Zwar verdankt er diese beeindruckende Größe wohl kaum einem Hang zum Bier, vielmehr vermutlich der zunehmenden Qualitätskontrolle weihnachtlicher Nascherei, zu viel Stress und zu wenig Schlaf. Doch woher auch immer: Übergewicht kann irgendwann zu körperlichen Belastungen führen, die auch das Gehirn nicht verschonen: Fettzellen haben direkt mit Entzündungen zu tun, Diabetes scheint ähnliche Effekte auf das Gehirn zu haben wie Demenz. All das spricht dafür, den Weihnachtsmann nicht vom himmlischen in den irdischen Stress zu verpflanzen.
Doch all ihr Headhunter, ihr Personalabwerber, fasset Mut! Sie mögen kürzere Bärte und kleinere Bäuche haben, in der Wahl von Fortbewegungsmittel und Kleidung weniger spektakulär daherkommen. Womöglich können sie auch nicht die Wünsche mehrerer Milliarden Kunden aus dem Kopf herunterbeten. Doch es gibt sie, diese kompetenten, klugen, motivierten älteren Mitarbeiter unter den Normalsterblichen.
Demenz
Demenz/Dementia/dementia
Demenz ist ein erworbenes Defizit kognitiver, aber auch sozialer, motorischer und emotionaler Fähigkeiten. Die bekannteste Form ist Alzheimer. „De mentia“ bedeutet auf Deutsch „ohne Geist“.
zum Weiterlesen:
- Mehr Fakten über den Weihnachtsmann: Kids play and Create [Stand 20.11.2014]; zur Webseite.