Steckbrief Cannabis
Wie wirkt Cannabis? Die weltweit am häufigsten genutzte illegale Droge wird derzeit wieder wegen ihrer potentiell schmerzlindernden Wirkungen diskutiert.
Scientific support: Dr. Stefan Gutwinski
Published: 28.05.2015
Difficulty: intermediate
- Gras oder Marihuana sind die Kelch und Tragblätter der weiblichen Cannabispflanze, Haschisch deren gepresstes Harz. Darin kommen über 60 verschiedene Cannabinoide vor.
- Die wichtigste psychoaktive Substanz des Cannabis heißt Delta9-Tetrahydrocannabinol (THC).
- Cannabinoide wirken im Nervensystem auf eine eigene Klasse von Rezeptoren: die Cannabinoid-Rezeptoren, die besonders in den schmerzleitenden Bahnen und im Hippocampus vorkommen.
- Cannabinoide wirken schmerzlindernd und appetitfördernd, stören aber das Kurzzeitgedächtnis.
- Für die medizinische Anwendung wird an THC-Derivaten geforscht, die die positiven Eigenschaften behalten, ohne den Rauschzustand auszulösen und sich negativ auf das Gedächtnis auszuwirken.
- Cannabis ist die älteste bekannte Nutzpflanze und die weltweit häufigste konsumierte illegale Droge.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Hippocampus
Hippocampus/Hippocampus/hippocampual formatio
Der Hippocampus ist der größte Teil des Archicortex und ein Areal im Temporallappen. Er ist zudem ein wichtiger Teil des limbischen Systems. Funktional ist er an Gedächtnisprozessen, aber auch an räumlicher Orientierung beteiligt. Er umfasst das Subiculum, den Gyrus dentatus und das Ammonshorn mit seinen vier Feldern CA1-CA4.
Veränderungen in der Struktur des Hippocampus durch Stress werden mit Schmerzchronifizierung in Zusammenhang gebracht. Der Hippocampus spielt auch eine wichtige Rolle bei der Verstärkung von Schmerz durch Angst.
Kurzzeitgedächtnis
Kurzzeitgedächtnis/-/short-term memory
Als Kurzzeitgedächtnis wird eine Art Zwischenspeicher des Gehirns bezeichnet, in dem Informationen mehrere Minuten lang behalten werden können. Der Umfang ist mit 7±2 Informationseinheiten (Chunks) sehr begrenzt. Dies können beispielsweise Zahlen, Buchstaben oder Wörter sein.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Als Gras oder Marihuana bezeichnet man die getrockneten Kelch– und Tragblätter der weiblichen Cannabispflanze (Cannabis sativa), auch indischer Hanf genannt. Haschisch ist deren gepresstes Harz. In diesen Pflanzenbestandteilen kommen über 60 verschiedene so genannte Cannabinoide vor. Eine zentrale Rolle für die Wirkung auf die Psyche spielt Delta9-Tetrahydrocannabinol (THC), geringere Bedeutung haben Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD). Cannabisprodukte werden meist geraucht, aber auch gegessen oder getrunken; Besitz und Handel sind illegal.
Pharmakologische Wirkung
Für die berauschende Wirkung des Cannabis ist nach bisherigem Kenntnisstand hauptsächlich der Wirkstoff THC verantwortlich. Er dockt an den zwei Rezeptoren CB1 und CB2 des Cannabinoidsystems an, aktiviert diese und übernimmt so die Funktion der körpereigenen Botenstoffe, der Endocannabinoide. CB2-Rezeptoren stehen vornehmlich auf Zellen des Immunsystems. Ihre Wirkung ist noch wenig verstanden. CB1-Rezeptoren kommen an vielen Stellen im Zentralnervensystem vor, insbesondere im Hippocampus und auch auf den Enden von Nervenzellfortsätzen, die die schmerzleitenden Bahnen bilden. Sie sind für einen ganzen Blumenstrauß von Funktionen zuständig. Eine sehr wichtige ist die Kommunikation der Nervenzellen: Aktivierte Cannabinoid-Rezeptoren melden einer feuernden Zelle, wenn die nachgeschaltete Zelle ausreichend aktiviert ist. Das verhindert eine weitere Ausschüttung von Botenstoffen.
THC hemmt nun auf diese Weise Nervenzellen, die aus dem ventralen Tegmentum in das Belohnungszentrum, den Nucelus accumbens, ziehen und dort eigentlich selbst hemmend auf die Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin wirken sollten. Dadurch sorgt THC indirekt für die Freisetzung genau dieses Botenstoffes. Je mehr Dopamin ausgeschüttet wird, umso größer ist das ausgelöste Glücksgefühl.
Davon abgesehen bewirken Cannabinoide eine funktionelle Störung der Nervenzellkommunikation, da sie die so genannte Langzeitpotenzierung synaptischer Übertragung hemmen. Diese steht im Zusammenhang mit Lernen und dem Gedächtnis.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Hippocampus
Hippocampus/Hippocampus/hippocampual formatio
Der Hippocampus ist der größte Teil des Archicortex und ein Areal im Temporallappen. Er ist zudem ein wichtiger Teil des limbischen Systems. Funktional ist er an Gedächtnisprozessen, aber auch an räumlicher Orientierung beteiligt. Er umfasst das Subiculum, den Gyrus dentatus und das Ammonshorn mit seinen vier Feldern CA1-CA4.
Veränderungen in der Struktur des Hippocampus durch Stress werden mit Schmerzchronifizierung in Zusammenhang gebracht. Der Hippocampus spielt auch eine wichtige Rolle bei der Verstärkung von Schmerz durch Angst.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Tegmentum
Tegmentum/-/tegmentum
Tegmentum (von lateinischen „tegere“ „bedecken“). Es handelt sich um den rückwärtigen, unter dem Aquädukt gelegenen Teil des Mittelhirns. Hier finden sich Kerne wie die Substantia nigra, Formatio reticularis, Hirnnervenkerne und der Nucleus ruber.
Dopamin
Dopamin/-/dopamine
Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.
Langzeitpotenzierung
Langzeitpotenzierung/-/long-term potention
Die Langzeitpotenzierung ist die zelluläre Grundlage für Lernen und Gedächnisbildung. Sie beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen, man spricht von einer Stärkung der Verbindung. Diese Stärkung kann z.B. durch eine Vergrößerung der Verbindungsstelle, einen Einbau neuer Kanäle oder einer vermehrten Ausschüttung von Transmittern (Botenstoffen) erfolgen.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Effekte auf Körper und Psyche
Inhaliert entfaltet sich die Wirkung von Cannabis innerhalb von fünf bis 15 Minuten, oral eingenommen nach etwa einer Stunde. Da Cannabinoid-Rezeptoren in vielen Bereichen des Gehirns vorkommen und auch viele Funktionen erfüllen, sind auch die Wirkungen des Cannabis vielfältig: Die Intensität von Stimmungen und Emotionen nimmt zu, bis hin zur Euphorie. Viele Konsumenten fühlen sich entspannt, bisweilen albern (Lach-Flashs). Aber auch die Verstärkung negativer Emotionen ist möglich. Assoziatives Denken wird gefördert, während Konzentrationsvermögen und Fahrtauglichkeit abnehmen. Das Kurzzeitgedächtnis ist gestört, es kann zu Erinnerungslücken und „Filmrissen“ kommen. Auch das Problembewusstsein und der Antrieb zur Problemlösung verringern sich.
rostral
rostral/-/rostral
Eine Lagebezeichnung – rostral bedeutet „zum Schnabel hin“ gelegen. Im Bezug auf das Nervensystem handelt es sich um eine Richtung entlang der neuralen Achse nach vorne, zum Gesicht hin.
Bei Tieren (ohne aufrechten Gang) ist die Bezeichnung einfacher, dort bedeutet sie immer nach vorne gelegen. Durch den aufrechten Gang des Menschen knickt das Gehirn im Bezug auf das Rückenmark ab, wodurch rostral auf Höhe des Rückens zu „oben“ wird.
Emotionen
Emotionen/-/emotions
Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.
Kurzzeitgedächtnis
Kurzzeitgedächtnis/-/short-term memory
Als Kurzzeitgedächtnis wird eine Art Zwischenspeicher des Gehirns bezeichnet, in dem Informationen mehrere Minuten lang behalten werden können. Der Umfang ist mit 7±2 Informationseinheiten (Chunks) sehr begrenzt. Dies können beispielsweise Zahlen, Buchstaben oder Wörter sein.
Möglicher therapeutischer Nutzen
Hauptsächlich entfalten Cannabinoide schmerzlindernde Wirkungen. Dies liegt daran, dass Nervenzellen bei chronischen Schmerzen zum Beispiel sensibler reagieren und auch leichter zu erregen sind (Der unendliche Schmerz). Dem wirkt THC entgegen, indem es die Weiterleitung von Signalen in den Thalamus und in höhere Kerngebiete des Schmerznetzwerks unterdrückt. Cannabis wirkt auch gegen Übelkeit und stimuliert den Appetit, weshalb es gegen Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust bei HIV eingesetzt wird. Nach dem Versagen anderer Mittel nutzen es Ärzte auch erfolgreich gegen Übelkeit und Erbrechen während einer Chemotherapie.
Da insbesondere CBN entspannend auf Muskeln wirkt, wird Cannabis auch bei Multipler Sklerose angewendet, sowie zur Muskelentspannung bei spastischen Syndromen. Cannabis wird auch (off-label) gegen Tourette, Epilepsie und Glaukom eingesetzt. Allerdings ist die Beweislage aufgrund fehlender qualitativ hochwertiger Studien fragwürdig. Zudem gibt es dafür meist bessere pharmakologische Alternativen. Des Weiteren findet Cannabis in der Palliativmedizin Anwendung, also bei medizinischen Behandlungen, die nicht auf eine Heilung einer bestehenden Grunderkrankung abzielen, sondern auf die Reduzierung der Folgen. Für die medizinische Anwendung wird aktuell an THC-Derivaten, also Varianten des THC-Moleküls, geforscht, die die positiven Eigenschaften behalten, ohne den Rauschzustand auszulösen und sich negativ auf das Gedächtnis auszuwirken.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Thalamus dorsalis
Thalamus dorsalis/Thalamus dorsalis/thalamus
Der Thalamus ist die größte Struktur des Zwischenhirns und ist oberhalb des Hypothalamus gelegen. Der Thalamus gilt als „Tor zum Bewusstsein“, da seine Kerne Durchgangstation für sämtliche Information an den Cortex (Großhirnrinde) sind. Gleichzeitig erhalten sie auch viele kortikale Eingänge. Die Kerne des Thalamus werden zu Gruppen zusammengefasst.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
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Risiken
Akute Anzeichen eines Cannabisrauschs sind Benommenheit, Euphorie, Gedächtnisstörungen, Mundtrockenheit, Pulsanstieg und verringerter Blutdruck. Bei höheren Dosen kommt es zu Koordinationsstörungen, Lethargie, zu verlangsamter Sprache. Bei Menschen, die eine entsprechende Veranlagung haben, kann Cannabiskonsum zu Krämpfen führen.
Cannabis kann psychisch und auch physisch abhängig machen. Die körperliche Abhängigkeit nehmen Konsumenten jedoch nicht direkt wahr: Weil Cannabis fettlöslich ist und nach dem Absetzen noch einige Zeit aus dem Fettgewebe ins Blut abgegeben wird, dauert es, bis Entzugserscheinungen eintreten. Erst nach fünf bis zehn Tagen sind diese Fettspeicher entleert – Symptome eines Entzuges treten auf. Lange war es strittig, ob es ein Cannabisentzugssyndrom gibt, 2014 allerdings wurde es in den Leitfaden psychischer Störungen DSM 5 aufgenommen.
Jugendliche, die regelmäßig Cannabis konsumieren, zeigen Entwicklungsdefizite und erreichen schlechtere Schulabschlüsse. Cannabis erhöht bei Jugendlichen mit Anfälligkeit für Psychosen zudem bei chronischem Konsum das Risiko für die Entwicklung psychotischer Episoden im Erwachsenenalter. Davon abgesehen verschlechtert es allgemein den Verlauf psychotischer Erkrankungsbilder.
Trivia
Indischer Hanf ist eine der ältesten bekannten Nutzpflanzen. Samen und Öl werden als Speise verwendet, die Fasern zur Herstellung von Seilen, Geweben, Kleidung und Papier. Die älteste Erwähnung einer medizinischen Anwendung findet sich im chinesischen Text Shen Nung Pen Ts’ao ching (je nach Quelle ca. 300 – 200 oder 2800 – 2700 vor Christus). Cannabis ist die weltweit am häufigsten konsumierte illegale Droge.
zum Weiterlesen:
- Pharmakologie und Toxikologie, Hans-Herbert Wellhöner, Harms Verlag, Lindhöft (2014).
- Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie, hg von Thomas Herdegen, Thieme Verlag, Stuttgart (2014)
- Principles of Neural Science, Fifth Edition, hg von Eric Kandel u.a., McGraw Hill, New York (2013)
- Kaffee, Käse, Karies… Biochemie im Alltag, hg von Jan Koolman, Hans Moeller, Klaus-Heinrich Röhm, Wiley-VCH, Weinheim (2003)
- Handbuch der Rauschdrogen, Wolfgang Schmidbauer, Jürgen vom Scheidt, Fischer Verlag, Frankfurt am Main (2004)