Myelin optimiert Informationsverarbeitung im Gehirn

© MPI f. experimentelle Medizin/ de Hoz, Moore
Oligodendrozyten umhüllen mit ihren Fortsätzen das Axon einer Nervenzelle. Sie bilden auf diese Weise eine elektrische Isolationsschicht um das Axon und erhöhen so die Leitungsgeschwindigkeit. Außerdem versorgen die Oligodendrozyten die Nervenzelle mit Energie.

In einer Konversation können wir einzelne Worte leicht verstehen und auseinanderhalten. Im Gehirn wird die zeitliche Struktur von Sprache mit ihrer schnellen Abfolge von Lauten und Pausen und dem charakteristischen Rhythmus durch elektrische Impulse kodiert. Forschende des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin in Göttingen haben herausgefunden, dass Nervenzellen die zeitliche Abfolge akustischer Signale nur dann verarbeiten können, wenn sie mit bestimmten Gliazellen zusammenarbeiten.

Source: Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin

Published: 04.11.2020

Nervenzellen leiten elektrische Signale mit Hilfe ihrer Axone weiter. Die Geschwindigkeit und zeitliche Präzision, die für die Verarbeitung im Gehirn erforderlich ist, wird nur dank des Myelins erreicht – einer von sogenannten Oligodendrozyten gebildeten elektrischen Isolierung der Axone. Diese Gliazellen erhöhen einerseits die Nervenleitgeschwindigkeit. Darüber hinaus versorgen die Oligodendrozyten die Nervenzellen mit Energie in Form von Milchsäure (Laktat).

Über die Rolle des Myelins bei der Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen in der Hirnrinde war bislang wenig bekannt. Die Forschenden haben deshalb das Hörsystem untersucht, das auf die kontinuierliche Weiterleitung von Informationen spezialisiert ist und entsprechend konstant Energie benötigt. Sie haben dazu die neuronale Aktivität der für das Hören spezialisierten Hirnrinde in Tierversuchen an genetisch veränderten Mäusen gemessen, die unterschiedliche Mengen an Myelin produzieren. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass weniger Myelin mit geringerer Nervenzellaktivität auf wiederholte akustische Reize einher geht“, sagt Livia de Hoz, die die Studie zusammen mit Klaus-Armin Nave am Max Planck Institut für experimentelle Medizin geleitet hat und die inzwischen an der Charité – Universitätsmedizin Berlin arbeitet.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Gliazellen

Gliazellen/-/glia cells

Gliazellen stellen neben den Neuronen die zweite Gruppe große Gruppe von Zellen im Gehirn. Sie wurden lange Zeit als die inaktiven Elemente des Gehirns, als „Nervenkitt“ bezeichnet. Heute weiss man, dass die verschiedenen Typen von Gliazellen (Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen) klar definierte Aufgaben im Nervensystem erfüllen. So reagieren sie z. B. auf Krankheitserreger, spielen eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Nervenzellen oder isolieren Nervenfasern. Ihr Anteil im Vergleich zu den Neuronen liegt bei etwas über 50 Prozent.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Myelin

Myelin/-/myelin

Myelin ist eine fetthaltige Substanz, die aus Gliazellen gebildet wird. Sie umhüllt die Axone (lange faserartige Fortsätze) von Nervenzellen und isoliert diese, so dass Nachrichten nicht ungehindert auf benachbarte Nervenzellen übergehen können. Zudem wird so die Signalleitung enorm beschleunigt.

Defizite bei der Tonwahrnehmung

Die Forschenden haben auch herausgefunden, dass die Nervenzellen der Mäuse mit weniger oder gar keinem Myelin kurze Pausen innerhalb eines langanhaltenden Tons schlechter identifizieren können. Beim Menschen ist diese Fähigkeit zum Beispiel eine wichtige Voraussetzung für die Spracherkennung.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die elektrophysiologischen Experimente zudem durch Lern- und Verhaltensstudien ergänzt. Ähnlich wie bei der neuronalen Aktivität zeigte sich auch hierbei, dass die genetisch veränderten Mäuse die in langen Tönen eingebetteten Pausen nicht als solche wahrnehmen können. „Myelin ist also unabhängig von der eigentlichen Nervenleitgeschwindigkeit wichtig, damit Nervenzellen die zeitliche Abfolge akustischer Reize korrekt entschlüsseln können“, erklärt Klaus-Armin Nave.

Könnte dies daran liegen, dass Oligodendrozyten den Axonen Energie zur Verfügung stellen? Die Forscher und Forscherinnen haben eine dritte Mausmutante untersucht, bei der lediglich die Energiezufuhr von Gliazellen zu den Axonen verringert ist, die ansonsten aber normale Myelin-Werte aufweist. Interessanterweise zeigen diese Tiere die gleichen Defizite der zeitlichen Kodierung akustischer Signale. „Dieses Ergebnis macht es sehr wahrscheinlich, dass auch beim Verlust des Myelins die geringere Energieversorgung durch Gliazellen ein entscheidender Faktor für die Defizite bei der Verarbeitung akustischer Reize ist“, sagt die Erstautorin der Studie, Sharlen Moore.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Myelin

Myelin/-/myelin

Myelin ist eine fetthaltige Substanz, die aus Gliazellen gebildet wird. Sie umhüllt die Axone (lange faserartige Fortsätze) von Nervenzellen und isoliert diese, so dass Nachrichten nicht ungehindert auf benachbarte Nervenzellen übergehen können. Zudem wird so die Signalleitung enorm beschleunigt.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Gliazellen

Gliazellen/-/glia cells

Gliazellen stellen neben den Neuronen die zweite Gruppe große Gruppe von Zellen im Gehirn. Sie wurden lange Zeit als die inaktiven Elemente des Gehirns, als „Nervenkitt“ bezeichnet. Heute weiss man, dass die verschiedenen Typen von Gliazellen (Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen) klar definierte Aufgaben im Nervensystem erfüllen. So reagieren sie z. B. auf Krankheitserreger, spielen eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Nervenzellen oder isolieren Nervenfasern. Ihr Anteil im Vergleich zu den Neuronen liegt bei etwas über 50 Prozent.

Originalpublikation

Sharlen Moore, Martin Meschkat, Torben Ruhwedel, Andrea Trevisiol, Iva D. Tzvetanova, Arne Battefeld, Kathrin Kusch, Maarten H. P. Kole, Nicola Strenzke, Wiebke Möbius, Livia de Hoz, Klaus-Armin Nave; A role of oligodendrocytes in information processing; Nature Communications; 30 October, 2020; https://doi.org/10.1038/s41467-020-19152-7

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