Insulin im Gehirn beeinflusst Dopamin-Spiegel

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Intranasales Insulin induziert einen Anstieg des [11C] Racloprid-Bindingspotentials im Striatum, was auf eine Abnahme des synaptischen Dopamin-Spiegels hinweist.

Das Hormon Insulin wirkt im Gehirn des Menschen auch auf den wichtigsten Botenstoff für das Belohnungssystem Dopamin. Das konnten Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in Tübingen zeigen. Insulin senkt den Dopamin-Spiegel in einer spezifischen Region des Gehirns, die u.a. Belohnungsprozesse und kognitive Funktionen reguliert.  Dieses Zusammenspiel kann ein wichtiger Treiber für die vom Gehirn abgeleitete Kontrolle über den Glukosestoffwechsel und das Essverhalten sein. Die Studie ist jetzt in „The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism“ erschienen.  

Source: Deutsches Zentrum für Diabetesforschung

Published: 03.11.2021

Weltweit erkranken immer mehr Menschen an Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes. Studien zeigen, dass das Gehirn eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Krankheiten spielt. Dopamin ist der wichtigste Neurotransmitter für das Belohnungssystem. Das Hormon Insulin wird nach dem Essen ausgeschüttet und reguliert den Stoffwechsel im menschlichen Körper (homöostatisches System). Bisher ist nicht bekannt, wie diese beiden Systeme zusammenwirken. Veränderungen in diesen Systemen werden jedoch mit Fettleibigkeit und Diabetes in Verbindung gebracht. In der aktuellen Studie haben Forschende des DZD-Partners Institut für Diabetes und Metabolismus Forschung (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universitätsklinik Tübingen und der Universitätsklinik Tübingen (Abteilung Innere IV, Direktor: Prof. Andreas Birkenfeld) untersucht, wie die beiden Systeme speziell im Belohnungszentrum des Gehirns (Striatum) interagieren.  

„Unser Essverhalten wird durch das Zusammenspiel zwischen dem Belohnungssystem und dem homöostatischen System kontrolliert. Studien weisen darauf hin, dass Insulin auch in Dopamin-getriebenen Belohnungszentren im Gehirn wirkt. Zudem konnte gezeigt werden, dass Fettleibigkeit zu Veränderungen in der Signalgebung des Gehirns führt, die sich nachteilig auf den Glukosestoffwechsel im ganzen Körper auswirken“, erläutert Erstautorin Stephanie Kullmann. „Wir wollten nun die Interaktion beider Systeme beim Menschen entschlüsseln und herausfinden, wie Insulin das Dopamin-System reguliert.“ 

Dazu erhielten zehn gesunde normalgewichtige Männer über ein Nasenspray Insulin oder ein Placebo (randomisierte, placebokontrollierte, verblindete Crossover-Studie). Wird Insulin über die Nase aufgenommen, gelangt es direkt ins Gehirn. Um die Interaktion zwischen Insulin und Dopamin zu untersuchen, nutzten die Forscherinnen und Forscher eine einzigartige Messtechnik: Sie kombinierten eine Magnetresonanztomographie zur Beurteilung der funktionellen Gehirnaktivität und eine Positronenemissionstomographie zur Beurteilung des Dopamin-Spiegels.   

Die Auswertung der Untersuchung zeigte, dass das intranasal verabreichte Insulin den Dopamin-Spiegel senkte und zu Veränderungen in der Netzwerkstruktur des Gehirns führte. „Die Studie liefert einen direkten Nachweis dafür, wie und wo im Gehirn Signale, die nach dem Essen ausgelöst werden – wie die Insulin-Ausschüttung und das Belohnungssystem, – interagieren“, fasst Prof. Martin Heni, Letztautor der Studie, die Ergebnisse zusammen. „Wir konnten zeigen, dass Insulin in der Lage ist, den Dopamin-Spiegel im Striatum bei normalgewichtigen Menschen zu senken. Die insulinabhängige Veränderung des Dopamin-Spiegels war auch mit funktionellen Konnektivitätsänderungen in großen Gehirnnetzwerken verbunden. Veränderungen in diesem System können ein wichtiger Treiber für Fettleibigkeit und damit verbundene Krankheiten sein.“ 

In weiteren Studien wollen die Forschenden Veränderungen im Zusammenspiel von Dopamin und Insulin bei adipösen bzw. diabetischen Teilnehmern untersuchen. Diese Menschen leiden oft an einer Insulin-Resistenz des Gehirns. Die Forschenden gehen daher davon aus, dass diese Resistenz die normale insulininduzierte Regulation des Dopamin-Spiegels im Belohnungszentrum verhindert. In weiteren Schritten wollen sie die normale Wirkung des Insulins im Gehirn durch verhaltensbezogene und/oder pharmazeutische Interventionen wiederherstellen. 

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

Neurotransmitter

Neurotransmitter/-/neurotransmitter

Ein Neurotransmitter ist ein chemischer Botenstoff, eine Mittlersubstanz. An den Orten der Zell-​Zellkommunikation wird er vom Senderneuron ausgeschüttet und wirkt auf das Empfängerneuron erregend oder hemmend.

Mesolimbisches System

Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway

Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.

Hormon

Hormon/-/hormone

Hormone sind chemische Botenstoffe im Körper. Sie dienen der meist langsamen Übermittlung von Informationen, in der Regel zwischen dem Gehirn und dem Körper, z.B. der Regulation des Blutzuckerspiegels. Viele Hormone werden in Drüsenzellen gebildet und in das Blut abgegeben. Am Zielort, z.B einem Organ, docken sie an Bindestellen an und lösen Prozesse im Inneren der Zelle aus. Hormone haben eine breitere Wirkung als Neurotransmitter, sie können verschiedene Funktionen in vielen Zellen des Körpers beeinflussen.

Mesolimbisches System

Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway

Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.

Striatum

Striatum/Corpus striatum/striatum

Eine Struktur der Basalganglien. Sie umfasst den Nucleus accumbens, das Putamen und den Nucleus caudatus. Das Striatum ist die Eingangsstruktur der Basalganglien und spielt eine tragende Rolle bei Bewegungsabläufen.

Nase

Nase/Nasus/nose

Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.

Magnetresonanztomographie

Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging

Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.

originalpublikation

Kullmann et al.: Central Insulin Modulates Dopamine Signaling in the Human Striatum. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 2021, Vol. 106, No. 10, 2949–2961 DOI:10.1210/clinem/dgab410 

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