Das Gehirn profitiert bereits von leichter körperlicher Aktivität

Symbolbild. Quelle: leszekglasner - stock.adobe.com

Schon leichte körperliche Aktivität wirkt sich positiv auf das Gehirn aus. Das konnten Forschende des DZNE um Dr. Dr. Ahmad Aziz aus Untersuchungen von 2.550 Teilnehmenden der Bonner „Rheinland Studie“ zeigen. Bestimmte Bereiche des Gehirns sind demnach bei körperlich aktiven Personen größer als bei Personen, die weniger aktiv sind. Insbesondere Hirnregionen, die relativ viel Sauerstoff benötigen, profitieren von diesem Effekt. Die Forschungsergebnisse sind in Neurology®, dem Medizinjournal der American Academy of Neurology, veröffentlicht.

Source: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE)

Published: 03.08.2022

Bewegung hält Körper und Geist gesund – doch wie und wo genau sich körperliche Aktivität in unserem Gehirn auswirkt, darüber ist bislang kaum etwas bekannt. „In bisherigen Forschungsansätzen wurde das Gehirn meist als Ganzes betrachtet“, sagt Fabienne Fox, Neurowissenschaftlerin und Erstautorin der aktuellen Studie. „Wir wollten einen detaillierteren Blick auf das Gehirn werfen und herausfinden, auf welche Hirnregionen körperliche Aktivität die größten Auswirkungen hat.“

Umfangreiche Daten aus der Rheinland Studie

Für ihre Forschungsarbeiten nutzte das Team Untersuchungsergebnisse aus der Rheinland Studie, einer großangelegten, bevölkerungsbasierten Studie des DZNE im Bonner Stadtgebiet. Konkret analysierten die Forschenden Daten zur körperlicher Aktivität von 2.550 Probandinnen und Probanden im Alter zwischen 30 und 94 Jahren sowie Aufnahmen des Gehirns, die mittels Magnetresonanztomografie (MRT) erstellt wurden. Für eine Stichprobe der körperlichen Aktivität trugen die Studienteilnehmenden für sieben Tage einen Beschleunigungssensor am Oberschenkel. Die MRT-Aufnahmen lieferten Informationen insbesondere zum Gehirnvolumen und der Dicke des Kortex (Hirnrinde).

Magnetresonanztomographie

Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging

Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.

Magnetresonanztomographie

Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging

Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Je aktiver, umso größer die Effekte

„Wir konnten zeigen, dass sich körperliche Aktivität in nahezu allen untersuchten Hirnregionen deutlich bemerkbar machte. Prinzipiell kann man sagen: Je höher und intensiver die körperliche Aktivität, umso größer waren die Hirnregionen, entweder in Bezug auf das Volumen oder auf die Dicke des Kortex“, fasst Fabienne Fox die Forschungsergebnisse zusammen. „Das haben wir unter anderem beim Hippocampus beobachtet, der als Schaltzentrale des Gedächtnisses gilt. Größere Hirnvolumina bieten einen besseren Schutz vor Neurodegeneration als kleinere.“ Allerdings nehmen die Ausmaße der Hirnregionen nicht linear mit der körperlichen Aktivität zu. Die größte, geradezu sprunghafte Volumenzunahme machte das Forschungsteam beim Vergleich zwischen nicht aktiven und nur leicht körperlich aktiven Studienteilnehmenden aus – das zeigte sich vor allem bei älteren Menschen über 70 Jahren.

„Das ist grundsätzlich eine sehr gute Nachricht – insbesondere für Bewegungsmuffel“, sagt Ahmad Aziz, Leiter der Forschungsgruppe „Populationsbezogene und Klinische Neuroepidemiologie“ am DZNE. „Unsere Studienergebnisse weisen darauf hin, dass schon kleine Verhaltensänderungen, wie etwa 15 Minuten am Tag Spazierengehen oder die Treppe statt des Aufzugs zu nehmen, eine erhebliche positive Wirkung auf das Gehirn haben und möglicherweise altersbedingtem Verlust an Hirnsubstanz sowie der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen entgegenwirken können. Vor allem ältere Erwachsene können bereits von einer leichten Zunahme der körperlichen Aktivität bei geringer Intensität profitieren.“

Junge sowie eher sportliche Probandinnen und Probanden, die sich normalerweise moderat bis intensiv körperlich bewegten, hatten ebenfalls relativ große Hirnvolumina. Doch bei noch aktiveren Personen waren diese Hirnbereiche etwas größer. Auch hier zeigte sich: je aktiver, umso größer die Wirkung, wobei die positiven Effekte bei einem hohen Maß an körperlicher Aktivität tendenziell nachließen.

Hippocampus

Hippocampus/Hippocampus/hippocampual formatio

Der Hippocampus ist der größte Teil des Archicortex und ein Areal im Temporallappen. Er ist zudem ein wichtiger Teil des limbischen Systems. Funktional ist er an Gedächtnisprozessen, aber auch an räumlicher Orientierung beteiligt. Er umfasst das Subiculum, den Gyrus dentatus und das Ammonshorn mit seinen vier Feldern CA1-​CA4.

Veränderungen in der Struktur des Hippocampus durch Stress werden mit Schmerzchronifizierung in Zusammenhang gebracht. Der Hippocampus spielt auch eine wichtige Rolle bei der Verstärkung von Schmerz durch Angst.

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

Neurodegeneration

Neurodegeneration/-/neurodegeneration

Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-​Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.

Hirnregionen, die am meisten profitieren

Um die Hirnregionen zu charakterisieren, die von körperlicher Aktivität am meisten profitierten, hat das Forschungsteam in Datenbanken nach Genen gefahndet, die in den jeweiligen Hirnregionen besonders aktiv sind. „Dabei handelte es sich vor allem um Gene, die für die Funktion der Mitochondrien – das sind die Kraftwerke unserer Zellen – essenziell sind“, sagt Fabienne Fox. Das heißt: In diesen Hirnregionen kommen besonders viele Mitochondrien vor. Sie stellen unserem Körper Energie zur Verfügung und benötigen dafür viel Sauerstoff. „Im Vergleich zu anderen Hirnregionen wird daher ein erhöhter Blutfluss benötigt. Der wird besonders gut bei körperlicher Aktivität gewährleistet, was erklären könnte, warum diese Hirnregionen von Bewegung profitieren“, sagt Ahmad Aziz.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Mitochondrien

Mitochondrien/-/mitochondria

Mitochondrien sind Organellen im Inneren einer Zelle, sie werden auch als „Kraftwerk“ der Zellen bezeichnet, da sie diese mit Energie versorgen. Sie haben eine eigene DNA, die nur über die Mutter vererbt wird.

Bewegung schützt

Die bioinformatische Analyse zeigte weiterhin, dass es eine große Schnittmenge gibt zwischen Genen, deren Expression durch körperliche Aktivität beeinflusst wird und solchen, die durch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder der Huntington-Krankheit beeinträchtigt werden. Das könnte eine mögliche Erklärung dafür sein, warum körperliche Aktivität eine neuroprotektive Wirkung hat, folgert das Forschungsteam. „Mit unserer Studie konnten wir Hirnregionen, die von körperlicher Aktivität profitieren, in einem noch nie dagewesenen Detailgrad charakterisieren“, sagt Ahmad Aziz. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse wichtige Ansatzpunkte für die weitere Forschung liefern.“

Und auch solche für die tägliche Anwendung: „Wir möchten mit unseren Ergebnissen einen weiteren Anstoß geben, körperlich aktiver zu werden – um die Gesundheit des Gehirns zu fördern und neurodegenerativen Erkrankungen vorzubeugen“, sagt Fabienne Fox. „Selbst bescheidene körperliche Aktivität kann helfen. Es ist also nur ein kleiner Aufwand – aber mit großer Wirkung.“

Neurodegeneration

Neurodegeneration/-/neurodegeneration

Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-​Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.

Neurodegeneration

Neurodegeneration/-/neurodegeneration

Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-​Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.

Originalpublikation

Association Between Accelerometer-Derived Physical Activity Measurements and Brain Structure: A Population-Based Cohort Study; Fabienne Fox et al.; Neurology (2022); DOI: 10.1212/WNL.0000000000200884

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