Nach dem Schlucken kommt das Hochgefühl

© Dr. Anton Miroschnikow/Uni Bonn
Larven der Taufliege verfügen in der Speiseröhre (graue Struktur in der Mitte) über eine Art Dehnungs-Sensor, der Schluckvorgänge an das Gehirn meldet. Wurde Nahrung aufgenommen, schütten spezielle Neuronen (rot) Serotonin aus.

Studie der Universität Bonn identifiziert Regelkreis in Fliegen, der für die Nahrungsaufnahme essentiell ist

Source: Universität Bonn

Published: 13.09.2024

Mal angenommen, Sie sitzen hungrig im Restaurant. Vor Ihnen steht eine Pizza, deren Geruch Ihnen verlockend in die Nase steigt. Sie nehmen einen Bissen, kauen und schlucken ihn hinunter. Genau in diesem Moment setzt das Hochgefühl ein: War das lecker! Schnell schneiden Sie sich das nächste Stück ab und schieben es sich ebenfalls in den Mund.

Der Geruch der Pizza und ihr Geschmack auf Ihrer Zunge motiviert Sie, ihr Mahl zu beginnen. Das gute Gefühl nach dem Herunterschlucken ist dagegen maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sie weiter essen. „Doch wie entsteht es genau? Welche neuronalen Schaltkreise sind dafür verantwortlich? Auf diese Fragen liefert unsere Studie eine Antwort“, sagt Prof. Dr. Michael Pankratz vom LIMES-Institut (das Akronym steht für „Life & Medical Sciences“) der Universität Bonn.

Ihre Einblicke gewannen die Forscher nicht am Menschen, sondern anhand von Larven der Taufliege Drosophila. Diese verfügen über etwa 10.000 bis 15.000 Nervenzellen - im Vergleich zu den 100 Milliarden im menschlichen Gehirn eine überschaubare Zahl. Dennoch bilden schon diese 15.000 ein extrem komplexes Netzwerk: Jedes Neuron verfügt über sich verästelnde Ausläufer, über die es mit Dutzenden oder gar Hunderten anderen Nervenzellen in Kontakt tritt.

Nase

Nase/Nasus/nose

Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.

Geschmack

Geschmack/-/flavor

Der Sinneseindruck, den wir als „Geschmack“ bezeichnen, ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen Geruchs– und Geschmackssinn. Sinnesphysiologisch ist „Geschmack“ jedoch auf den Eindruck begrenzt, den uns die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge und in den umgebenden Schleimhäuten zuführen. Aktuell geht man davon aus, dass es fünf verschiedene Sorten von Geschmacksrezeptoren gibt, die auf die Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter und umami spezialisiert sind. 2005 haben Wissenschaftler zudem einen möglichen Geschmacksrezeptor für Fett identifiziert.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Erstmals sämtliche Nervenverbindungen in Fliegenlarven untersucht

„Wir wollten im Detail verstehen, wie das Verdauungssystem bei der Nahrungsaufnahme mit dem Gehirn kommuniziert“, sagt Pankratz. „Dazu müssen wir wissen, über welche Neuronen dieser Informationsfluss läuft und wie sie verschaltet sind.“ Die Forscher haben daher den Verlauf sämtlicher Nervenfasern in den Larven analysiert, ebenso wie alle Verbindungen, die die Neuronen untereinander eingehen. Dazu zerschnitten sie eine Larve in Tausende hauchdünne Scheibchen, die sie dann unter dem Elektronenmikroskop fotografierten.

„Diese Aufnahmen haben wir an Hochleistungs-Computern zu dreidimensionalen Bildern zusammengesetzt“, erläutert der Forscher, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Life and Health“ und im Exzellenzcluster „Immunosensation” ist. Was danach folgte, war eine wahre Sisyphus-Arbeit: Die Projektmitarbeiter Dr. Andreas Schoofs und Dr. Anton Miroschnikow untersuchten die „Verdrahtung“ sämtlicher Nervenzellen untereinander - Neuron für Neuron und Synapse für Synapse.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Dehnungssensor ist mit Serotonin-Neuronen verkabelt

Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler eine Art Dehnungssensor in der Speiseröhre identifizieren. Dieser ist mit einer Gruppe von sechs Neuronen im Larvengehirn verkabelt, die dazu in der Lage sind, Serotonin herzustellen. Der Neuromodulator wird manchmal auch als Glückshormon bezeichnet. Er sorgt beispielsweise dafür, dass wir bestimmte Handlungen als belohnend empfinden, und bringt uns so dazu, sie fortzusetzen.

Die Serotonin-Neuronen empfangen zusätzlich Informationen darüber, was die Tiere gerade verschluckt haben. „Sie erkennen also, ob es sich um Nahrung handelt oder nicht, und bewerten ihre Qualität“, erläutert der Erstautor der Studie Dr. Andreas Schoofs. „Nur wenn das Urteil positiv ausfällt, schütten sie Serotonin aus und sorgen so dafür, dass die Larven mit der Nahrungsaufnahme fortfahren.“

Dieser Mechanismus ist von so grundlegender Bedeutung, dass es ihn wahrscheinlich auch beim Menschen gibt. Ist er gestört, kann das möglicherweise Essstörungen wie Magersucht oder Heißhunger-Attacken („Binge-Eating“) zur Folge haben. Eventuell können aus den Ergebnissen der Grundlagen-Studie daher auch Konsequenzen für die Behandlung dieser Erkrankungen erwachsen. „Noch wissen wir aber nicht genug darüber, wie dieser Schaltkreis im Menschen genau aussieht“, dämpft Pankratz hochgesteckte Erwartungen. „An diesem Punkt ist sicher noch jahrelange Forschungsarbeit nötig.“ 

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Serotonin

Serotonin/-/serotonin

Ein Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient. Er wird primär in den Raphé-​Kernen des Mesencephalons produziert und spielt eine maßgebliche Rolle bei Schlaf und Wachsamkeit, sowie der emotionalen Befindlichkeit.

Originalpublikation

Andreas Schoofs, Anton Miroschnikow, Philipp Schlegel, Ingo Zinke, Casey M. Schneider-Mizell, Albert Cardona und Michael J. Pankratz: Serotonergic modulation of swallowing in a complete fly vagus nerve connectome;
https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.08.025

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